80 Millionen Songs hatten zehn Streams oder weniger (das inkludiert die 46 Millionen Songs ganz ohne Zuhörer). Oder, nochmal zusammengerechnet: Insgesamt mehr als 150 Millionen Songs hatten im ganzen Jahr 2023 weniger als je 1000 Streams. Das sind rund 83 Prozent des Gesamtangebots.
Das berichtet die Financial Times (FT) unter Berufung auf Daten von Luminate, jener Firma, die die mächtigen Billboard-Charts in den USA erstellt.
„Heast es net“ von Hubert von Goisern bekommt in diesem Kontext eine ganz andere Bedeutung.
Am anderen Ende des Spektrums liegt, es überrascht nicht, Taylor Swift. Der derzeitige US-Superstar hat in den USA alleine für 1,2 Prozent aller Streams auf Spotify gesorgt. Die Amerikaner haben, rechnet die FT vor, im Vorjahr mehr Zeit damit verbracht, Taylor-Swift-Songs zu hören, als mit dem gesamten Angebot der klassischen Musik. Oder des Jazz.
Was keine guten Nachrichten für die Klassik sind, und auch nicht für jene überwiegende Mehrheit der Musikerinnen und Musiker, die zu den unteren 83 Prozent gehören. Denn Spotify will nun sein Angebot entrümpeln, sprich, weniger Musik anbieten, die wenige oder gar keine Leute hören.
Geld von Spotify erst ab 1000 Streams
Schon im vergangenen Herbst machte die Info die Runde, dass jene Musiker, die weniger als 1000 Streams im Jahr haben, künftig von Spotify kein Geld mehr ausgezahlt bekommen. Eigentlich erhält man für jedes Abspielen ein paar Centbruchteile, künftig jedoch nur, wenn man die 1000er-Schwelle überspringt.
Finanziell ist das kein großes Ding – von Spotify leben kann ohnehin nur der allergeringste, allererfolgreichste Teil der Musikschaffenden. Und für die Abgeltung von 1000 Streams kann man sich nicht einmal einen Kaugummi kaufen. Wieviel das ausmacht, ist kaum seriös zu sagen. Denn Spotify zahlt nicht die Künstler direkt, sondern rechnet mit den Rechteinhabern – also etwa Plattenlabels - ab, die wiederum dann die Künstler je nach Vertrag bezahlen. Als ungefähre Größenordnung wird ungefähr 0,005 Cent pro Stream genannt, das wären dann 5 Cent für 1000 Streams.
Spotify behält wegen der 1000er-Schwelle auch keine Gelder zurück – die Einnahmen werden nur anders verteilt an die Plattenlabel weitergegeben. Sagt jedenfalls Spotify. Die finanziellen Mechanismen des Streamingdienstes sind unabhängig nicht überprüfbar. Hier finden Sie die eigenen Angaben von Spotify zur Ausschüttung.
Dennoch: Spotify zahlt künftig für 83 Prozent der Songs nichts. Damit wird ein unangenehmes Phänomen in Zahlen gegossen, das die gesamte Internetökonomie durchzieht: Dass nämlich die Gewinner, wie schon ABBA sang, alles kriegen: Und, im Umkehrschluss, Aufstrebende oder weniger Bekannte so gut wie nichts.
Das macht es mutigen oder irgendwie außerhalb der Norm befindlichen Künstlern schwer. Dazu zählen auch europäische und nicht-englischsprachige Künstlerinnen und Künstler – und ganze, ohnehin schon aufmerksamkeitsgeschwächte Genres wie die Klassik. Die immens wichtigen Empfehlungsalgorithmen auf Spotify bevorzugen die Creme de la Creme der Popstars – ein Teufelskreis: Wer wenig Aufmerksamkeit hat, hat es ungleich schwieriger, Aufmerksamkeit zu erlangen.
Das Problem ist, auch wegen des Erfolgs von Spotify am Streamingmarkt, so groß, dass vergangene Woche das EU-Parlament Maßnahmen auf den Weg gebracht hat, die für eine faire Vergütung und Bewerbung unterspielter Musikschaffender sorgen sollen.
Die bekommen demnächst darüber hinaus auch noch eine andere Art von Konkurrenz: Zunehmend soll auf Spotify Musik zu hören sein, die mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz erstellt wurde. Und die echten Künstlern die wenigen Cents wegnehmen, die Spotify ausschüttet.
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