"Wasted Love": So klingt der heimische Song-Contest-Beitrag

Der österreichische Beitrag zum diesjährigen Eurovision Song Contest von Johannes Pietsch alias JJ wurde am Donnerstagvormittag der Öffentlichkeit präsentiert – wie üblich im Ö3-Wecker.
Der Song heißt "Wasted Love" und klingt - ähm - arg. Oder sagen wir so: Er fällt auf. Ziemlich sogar. Das ist beim Song Contest, wo gerne das Schrille, Grelle, Laute, Unkonventionelle, Queere punktet, sicherlich kein Nachteil.
Dass der Song auffällt, liegt vor allem daran, dass Johannes Pietsch normalerweise als Countertenor sein Geld verdient. Das heißt: Er kann so hoch singen, dass man das Gefühl hat, er pfeift – und es zerreißt einen gleich das Trommelfell oder zumindest die Fensterscheiben in seiner unmittelbaren Nähe. Bei der Präsentation, die passenderweise in der Wiener Staatsoper ausgetragen wurde, blieben aber zum Glück alle Gläser und Fensterscheiben ganz.
Darüber war natürlich auch JJ erleichtert, denn er ist ja selbst regelmäßig Gast an der Staatsoper und dort in verschiedensten Produktionen zu sehen: Er besuchte hier im Alter von 11 Jahren zum ersten Mal gemeinsam mit seinen Großeltern eine Opern-Aufführung. Das Singen hat er sich daraufhin selbst mit Hilfe von YouTube-Videos beigebracht. Heute studiert er klassische Musik an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK).
Zurück zu "Wasted Love": Der Song beginnt ruhig, erinnert an eine klassische Opernarie und wirkt (abseits von JJs Stimmlage) völlig harmlos, aber auch an jeder massentauglichen Pop-Schablone vorbeiproduziert. Im Hintergrund hört man gezupfte Streicher, schmeichelhaft Melodien. Nach 30 Sekunden ist man schon gespannt auf den Refrain. Der kommt dann auch. Stimmlich geht’s dabei nochmal um mindestens eine Etage höher. Das Trommelfell hält, es sind auch noch keine Sprünge in den Fenstern zu sehen.
Taschentücher und Körpergröße
Das, was der 23-Jährige da im schrillen Ton (klingt ein bisschen nach Tinnitus) von sich gibt, versteht man nur schwer. Es liegt aber nicht daran, dass es Englisch ist, die gesungene Frequenzen vielleicht nicht mehr im hörbaren Bereich liegen, sondern weil Worte (wie in der Oper gerne der Fall) über mehrere Takte gesungen werden. Man kann nur so viel sagen: JJ leidet. "You left me in the deep end / I'm drowning in my feelings /How do you not see that?" Es ist also keine Happy-Nummer. Und der Text passt locker auf ein zusammengefaltetes Taschentuch.
Ein Taschentuch kann man vielleicht dann auch noch gut gebrauchen. Denn nach dem JJ ungefähr 30 Mal "Wasted Love" gesungen hat, wird es in den letzten 20 Sekunden, die sich wie eine halbe Ewigkeit anfühlen, ziemlich dramatisch und wild. Am Ende steht so etwas wie ein hohes C. Ein Hilfeschrei. Aua. Das wühlt auf, verwirrt. Das Einzige, was man so kurz nach dem Song sagen kann, ist: Man will ihn auf keinen Fall sofort noch einmal hören. Was schlecht ist für eine Pop-Karriere, kann beim Song Contest funktionieren, denn Aufmerksamkeit ist Österreich gewiss.
"Das Cross-over zwischen Oper und Song Contest ist für Österreich ein besonderes Projekt", zeigte sich Stefan Zechner als Leiter der ORF-ESC-Delegation überzeugt vom Konzept. Und Fernsehdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz verwies auf den zarten Körperbau und die mächtige Stimme des heurigen Kandidaten: "Wir sind nicht nach Körpergröße gegangen, sondern nach Talent." Aha.
Hilfe und Quoten
Beim Songwriting bekam JJ übrigens Hilfe von Thomas Turner und Teya (Teodora Špirić), die selbst vor zwei Jahren für Österreich beim ESC an den Start ging – gemeinsam mit Salena und der Nummer "Who The Hell Is Edgar?". Die beiden haben es mit ihrem Song auf Platz 15 in Liverpool geschafft. Der diesjährige ESC-Beitrag aus Österreich ist aber eine Arie und damit auch das totale Kontrastprogramm zu "We Will Rave", mit dem Kaleen 2024 in Malmö an den Start ging und Platz 24 belegte.
JJ muss am 15. Mai um sein Finalticket für die Endrunde am 17. Mai kämpfen. Die Chancen, dass ihm das gelingt, stehen aktuell gut. Denn bei den ESC-Wettquoten liegt Österreich aktuell auf Rang 5 gleichauf mit Estland (Stand von Mittwochvormittag). Also vor der offiziellen Präsentation des Songs. Mal sehen, wo Österreich danach stehen wird.
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