Wie der Song Contest der Kunst

Eine aufgelassene Kirche als Moschee: Eröffnung des isländischen Beitrags von Christoph Büchel auf der Biennale am Freitag
Biennale Venedig: Die Kunstschau bietet vielen Ländern einen großen Auftritt auf der Weltbühne.

Er ist wieder da: Christoph Büchel, der Schweizer Künstler, der 2010 einen Swingerklub in der Wiener Secession installierte, hat eine aufgelassene Barockkirche im venezianischen Stadtteil Cannaregio zur Moschee umfunktioniert – mit Gebetsnische, Teppichen, aber auch einem Cola-Automaten. Bei der Eröffnung des Gebetshauses, das als Beitrag Islands zur 56. Kunstbiennale realisiert wurde, mischten sich am Freitag Angehörige der muslimischen Gemeinde, die bis dato keine Moschee im Stadtzentrum nutzen konnten, mit dem Kunstpublikum. "Die wichtigste Botschaft ist die des Friedens", sagte die pakistanische Botschafterin bei der Eröffnung.

In einer Zeit, in der an vielen Orten "gegen die Islamisierung des Abendlandes" mobil gemacht wird, ist Büchels Akt gewiss auch provokant. Zugleich unterstreicht die Aktion, wie sich die Venedig-Biennale im Hinblick auf nationale Repräsentation verändert hat. Der Modus eines Wettstreits von Nationen wird stets als veraltet kritisiert, doch zugleich birgt er auch utopisches Potenzial.

Nicht nur die Lauten gewinnen

Hier hat die Biennale einiges mit dem Eurovision Song Contest gemein.

Da wie dort geht es längst darum, auf symbolischem Territorium neue Konstellationen auszuprobieren. Und Venedig zur Zeit der Biennale ist tatsächlich ein Ort, an dem Distanzen aufgehoben und Größenverhältnisse auf den Kopf gestellt scheinen. Dass Präsenz oft mit dem Geld potenter Unterstützer erkauft wird, ist die andere Seite der Medaille – und doch setzen sich oft einfach die besten Ideen durch.

Tuvalu unter Wasser

Das zeigt sich etwa im Arsenale, wo das Kunstpublikum im Pavillon des Pazifikstaats Tuvalu ein Wasserbecken auf einem Steg queren muss. Das Wasser steht gerade so hoch, dass man sich dabei die Schuhe nass macht. Die Botschaft lautet: Wenn die globale Erwärmung so weitergeht, werden Staaten wie Tuvalu bald ganz unter Wasser stehen.

Unweit davon hat die an der Wiener Akademie studierende Künstlerin Flaka Haliti einen Raum gestaltet: Bei ihr ist der Beton von Wandelementen, mit denen oft Grenzwälle gebaut werden, scheinbar abgebröselt, man steht neben den Stahlgerüsten in blauem Sand in blauem Licht. Die Installation ist der Beitrag des jungen Staats Kosovo und wurde vom Chef der Kunsthalle Wien, Nicolaus Schafhausen, kuratiert.

Ohne internationale Vernetzung hätten Staaten wie der Irak wohl kaum Präsenz in Venedig. Die schlichte Schau "Invisible Beauty" gehört aber zu den berührendsten Beiträgen: Bilder des Fotografen Latif Al Ani zeigen hier Bagdad in den 1960ern – als moderne, aufstrebende Stadt. Daneben ist eine vom Chinesen Ai Weiwei getroffene Auswahl von Zeichnungen zu sehen, die Flüchtlinge und Vertriebene anfertigten. Die wenigsten zeichneten dabei ihre Erfahrungen von Verlust und Gewalt: Friedenstauben und Blumen gehören zu den häufigsten Motiven.

Bilder von der Hauptausstellung "All The World's Futures"

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