Seit der Premiere der Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf 2007 stand Welser-Möst schon oft in Wien am Pult. Seine Lesart ist zumindest beim „Rheingold“ eine analytische und sehr kammerspielartige. Da werden mit dem sehr guten Orchester die einzelnen Leitmotive fein herausgeschält, da wird auch sehr sängerfreundlich musiziert. Dafür wurde Welser-Möst neben vereinzelter, gänzlich unberechtigter Buhs bejubelt.
Gesanglich ist hingegen teilweise noch etwas Luft nach oben. So darf sich Eric Owens als Wotan bis zur „Walküre“ stimmlich ruhig noch steigern. Auch Tanja-Ariane Baumgartners Fricka war nicht ganz ideal.
Exzellent dafür Michael Laurenz als fulminanter Loge und Michael Nagy als intensiver Alberich. Mit Matthäus Schmidlechner steht ein starker Mime zur Verfügung. Ilja Kazakov (Fasolt), Ain Anger (Fafner), Noa Beinart (Erda) agieren wie die Rheintöchter (Ilena Tonca, Patricia Nolz, Daria Sushkova) und die übrigen Götter (Martin Häßler als Donner, Daniel Jenz als Froh und Regine Hangler als Freia) tadellos. Peter Jarolin
"Walküre": Wenn Brünnhilde und Wotan den Unterschied ausmachen
Es geht ja doch. Nach einem eher – höflich formuliert – gesanglich durchwachsenen „Rheingold“ nimmt Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“ an der Wiener Staatsoper allmählich Fahrt auf. Zwei Mal ist diese Tetralogie am Ring zu hören. Und zum letzten Mal steht Franz Welser-Möst am Pult. Denn der Dirigent hat sich entschieden, dieses Werk künftig aus dem Repertoire zu streichen.
Schade, denn so viele gute „Ring“-Dirigenten gibt es nun auch wieder nicht. Wie schon im „Rheingold“ setzt Welser-Möst auch bei der „Walküre“ auf eine filigrane Lesart, animiert das tolle Orchester jedoch an jenen Stellen („Walkürenritt“), an denen es geht, zu größter Dramatik. Dennoch entfaltet sich bei Welser-Möst ein intensives Weltendrama, das vor allem im dritten Akt unter die Haut geht.
Stimmlich ist aber nach wie vor Potenzial nach oben. Etwa bei Giorgio Berrugi, der einen sehr lyrischen, sicheren, aber vokal eher kleinen Siegmund gibt. Ein Heldentenor klingt – trotz nobler Phrasierung – anders. Ideal hingegen Simone Schneider als ausdrucksstarke Sieglinde sowie Ain Anger als gewohnt profunder Hunding.
Sehr gesteigert hat sich (im Vergleich zum „Rheingold“) Eric Owens als Wotan. Unfassbar berührend Wotans Abschied vom Kind; da ist ein ganz feiner Gestalter am Werk. Und auch die Durchschlagskraft des Göttervaters wird hörbar. Tanja Ariane Baumgartner gibt nach einem eher biederem „Rheingold“ eine starke Fricka. Das Ereignis ist aber die dramatische Ricarda Merbeth, die in der Brünnhilde scheinbar eine Lebenspartie gefunden hat. Bitte weiter so! Peter Jarolin
"Siegfried": Dieser Wagner lässt nur einen Wunsch offen
Kritik. Musikalische Momente, die selbst jenen die Ohren öffneten, die glaubten, alles über Richard Wagners „Ring“ zu wissen, waren bei der Aufführung von „Siegfried“ an der Wiener Staatsoper zu erleben.
Franz Welser-Möst leuchtete mit dem sehr gut disponierten Orchester jeden Winkel der Partitur aus. Feinste Präzisionsarbeit war das, die ein Meer von prachtvollen Klangfarben zum Wogen brachte, Emotionen spüren ließ und nur einen Wunsch offenließ, dass dieser Dirigent seine Entscheidung, nach diesen zwei Runden den „Ring“ nicht mehr zu dirigieren, revidiert.
In der Titelrolle begeisterte Klaus Florian Vogt. Spielfreudig agierte er in Sven Eric Bechtolfs sehr gut funktionierender Regie. Exzellent ließ er mit seiner hell-timbrierten Heldentenorstimme einen jugendlichen Siegfried hören.
Ricarda Merbeth schwang mit Verve tapfer ihren Sopran zu grellen Höhen auf, setzte immer wieder auf eine hohe Dosis Vibrato. Wenn man diese Stimme mag, wird man auf seine Rechnung kommen.
Eric Owens hielt sich als Wanderer darstellerisch sehr zurück und überzeugte wortdeutlich mit seinem metallen klingenden Bariton.
Phänomenal Matthäus Schmidlechner als Mime. Der gebürtige Thalgauer, seit 2007/08 im Ensemble der Linzer Oper, geiferte brillant und packte seine Hinterlist in seine flexible, schöne Stimme.
Ausgezeichnet die Besetzung der kleineren Partie, Ain Anger als bewährter Fafner, Maria Nazarova als Stimme des Waldvogels. Michael Nagy holt aus der Partie des Alberich alles heraus, intoniert und spielt famos. Noa Beinart ließ als sinnliche Erda nichts zu wünschen übrig.
Ausgiebiger Jubel!
Susanne Zobl
"Götterdämmerung": Der Abschied
Kritik. Walhall brennt in prächtigen, leuchtenden Klangfarben, die Götter sind Geschichte und Richard Wagners „Ring“ ist es nach einer Reprise (21., 22., 25. 30. Juni) für Franz Welser-Möst auch.
Sein Ade ist nach dieser „Götterdämmerung“ mehr als zu bedauern, denn dieser Dirigent entfacht mit dem exzellent disponierten Orchester ein veritables Weltendrama. Höchste Spannung generiert er bei der oft langatmig anmutenden Nornen-Szene, schillerndes Wogen bei der „Rheinfahrt“, pure Dramatik bei „Siegfrieds Trauermarsch“, da bleibt orchestral kein Wunsch offen.
Überschattet wird der Abschied dieses Dirigenten von der Tetralogie jedoch vom Ausfall des Siegfried. Burkhard Fritz ließ sich – jedoch erst vor dem dritten Aufzug – ansagen, weil er an einer „allergischen Reaktion“ laboriere, aber trotzdem die Partie zu Ende sang. Ricarda Merbeth ist eine sehr präsente Brünnhilde. Sie setzt auf eine Überdosis Vibrato, Dramatik und hellste Höhen.
Herausragendes ist in den Nebenrollen zu erleben. Der phänomenale Bass Mika Kares setzt als Hagen höchste Maßstäbe. Ein gesanglicher Lichtblick seine Szene mit Michael Nagy als Alberich. Clemens Unterreiner überzeugt als spielfreudiger Gunther. Regine Hangler ergänzt solide als Gutrune und dritte Norn. Monika Bohinec gefällt als sehr ordentliche Waltraute. Noa Beinart empfiehlt sich als erste Norn für Größeres. Juliette Mars komplettiert das Trio, auch die Rheintöchter sind gut aufeinander abgestimmt.
Sven-Eric Bechtolfs Regie funktioniert ungebrochen und könnte noch Jahre im Repertoire bleiben, und das sollte auch der „Ring“ – egal in welcher Inszenierung – im Repertoire von Franz Welser-Möst. Jubel für alle Beteiligten. Susanne Zobl
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