So viele geniale Vögel
Es wird wohl nicht der Bestseller der Saison werden. Aber es ist so schön, wenn man den Oberg’scheiten sagen kann, dass sie vielleicht doch nicht recht haben.
Zum Beispiel Siddharta Gautama, immerhin der Buddha.
Von ihm stammt die Weisheit: "Nichts bleibt, wie es ist."
Bumm. Aber Harry Rowohlt sagte: "Wenigstens das Nichts bleibt, wie es ist."
Na bitte.
"Die größten Weisheiten der Welt und ihr noch weiseres Gegenteil" wird ein dtv-Taschenbuch, mit dem Erscheinen ist leider erst im August zu rechnen.
Und was könnte im "Bücherfrühling" ein Bestseller werden?
Michael Niavarani hat gute Chancen (in Österreich). "Ein Trottel kommt selten allein" ist zwar kein Roman wie "Vater Morgana", aber Kabarett über den Homo Idioticus in Kurzgeschichten-Form.
Und Doris Knecht: "Alles über Beziehungen" erzählt von einem 50-Jährigen und seinen vielen Frauen; und stellt die Frage: Was ist das, Treue?
Elsa Ferrantes neapolitanische Saga von der Freundschaft ist schon Weltbestseller und wird es wieder sein: Fortsetzungen erscheinen im Jänner und im Mai.
Mit "Selfies" hat der Däne Jussi Adler-Olsen Fall sieben fürs Sonderdezernat Q geschrieben.
"Kämpfen" heißt der letzte Teil der halbwegs autobiografischen Romane, mit denen der Norweger Karl Ove Knausgård viele süchtig gemacht hat.
Die schrille estnisch-finnische Autorin Sofi Oksanen bringt "Die Sache mit Norma" – wobei Norma schon allein dadurch auffällt, dass ihr Haar extrem rasch wächst.
So weit drei Favoriten aus dem Norden.
Als Sensation wird – weltweit – Neues von F. Scott Fitzgerald angepriesen. "Für dich würde ich sterben" versammelt unbekannte Erzählungen, die der "Great Gatsby"-Autor vor 90 Jahren nicht an Zeitschriften verkaufen konnte: Man war damals nur an seinen Romanen interessiert. Das Erscheinungsdatum steht exakt fest: 28. Mai.
Ist man wieder bereit für ein sumpfiges, dreckiges Barcelona, erfunden von Carlos Ruiz Zafón? "Der Schatten des Windes" war weltweit 20 Millionen Mal verkauft worden, ein letztes (viertes) Mal geht Zafón zu verlorenen Menschen auf den Friedhof der Vergessenen Bücher, und zwar will er mit uns durchs das "Labyrinth der Lichter"
Margaret Atwood geht im April mit gleich Romanen ins Rennen um die Lesergunst, einerseits mit "Hexensaat", ihrer Verbeugung vor William Shakespeare. Andererseits mit "Das Herz kommt zuletzt" – einer surrealen Sex-Gauner-und-noch-vieles-mehr-Komödie.
Drei Termine, die – persönlich gesprochen – Vorfreude auslöst:
16. Februar:
Julian Barnes, 70 ist der Engländer, und "Der Lärm der Zeit". Im Mai 1937 wartet ein Mann jede Nacht neben dem Fahrstuhl seiner Leningrader Wohnung darauf, dass ihn Stalins Schergen abholen kommen. Es ist der Komponist Schostakowitsch, und er wartet beim Lift, um seiner Familie den Anblick der Verhaftung zu ersparen.
13. März:
Claudio Magris, 77 ist der Italiener, und "Verfahren eingestellt". Für sein "Kriegsmuseum zum Zwecke des Friedens" sammelt ein Mann in Triest Kriegsgeräte aller Art. Sie erzählen die Geschichten derer, die damit getötet haben bzw. getötet wurden ...
5. Mai:
Samuel Selvon, 1994 in Trinidad gestorben, und "Die Taugenichtse". Die ersten Einwanderer nach dem Weltkrieg konstruieren ein anderes, überraschendes London. Berühmt ist dieser Roman – Original: The Lonely Londoners – seit 1956, aber erst jetzt wurde er übersetzt.
Und (andere) Vögel könnten auch noch Bestseller werden. Denn dass 2017 viel über Martin Luther zu lesen sein wird, das ist wegen des Jahrestages der Reformation nachvollziehbar.
Aber wieso derart viele Bücher über Vögel? Als hätten sich Verlage abgesprochen. Mehrfach wird bewiesen, wie dumm das Wort "Spatzenhirn" ist.
Nur ein Beispiel: "Die Genies der Lüfte" (von Jennifer Ackerman) schildert, wie Vögel einander Geschenke machen, wie sie einander trösten, warnen, erpressen (das auch) ... und wie der Kiefernhäher in den Rocky Mountains 30.000 Samen über Dutzende Quadratkilometer verteilt – und sich Monate später daran erinnert, wo er die Nahrung versteckt hat.
Von Jänner bis Juli
Franzobel könnte überraschen. Im Jänner meint er es ernst: Sein „Floß der Medusa“ handelt von Schiffbrüchigen und dem Ende der Moral. Paul Auster präsentiert mit „4 3 2 1“ vielleicht sein allergrößtes Werk. Nicht nur wegen der 1200 Seiten. Es geht um 1 Leben und 4 Möglichkeiten. Von der Französin Anna Gavalda erscheinen Erzählungen, von Umberto Eco Essays, als ein letztes Geschenk.
Franz Schuh wird im März 70 Jahre alt, aber schon im Februar erzählt er „Aus dem Magazin des Glücks“. Von Andre Heller werden Gespräche mit der Mutter veröffentlicht, Kurt Palm plant die „Strandbadrevolution“, von Nobelpreisträger Le Clézio bekommt man nach längerer Abstinenz gleich zwei Novellen, der Zeichner und Bachmannpreis-Sieger Tex Rubinowitz bittet „Lass mich nicht allein mit ihr“. Vom Grazer Regisseur und Schauspieler Bernd Fischerauer ist „Burli“ zu entdecken, sein erster Roman.
Der März ist der an Neuerscheinungen stärkste Monat: Mit Krimiautor Rex Stout wird 40 Jahre nach seinem Tod ein Comeback versucht. Von Péter Esterházy erscheinen posthum gleich zwei Bücher, Annie Proulx schafft in „Aus hartem Holz“ auf 900 Seiten 300 Seiten nordamerikanische Geschichte ... wir setzen fort mit einer Aufzählung: „Jürgen“ von Heinz Strunk, „Gotland“ von Michael Stavarič, „Mein Wildgarten“ von Meir Shalev, „So war Auschwitz“ von Primo Levi, „Tiere für Fortgeschrittene“ von Eva Menasse, „Bis an die Grenze“ von Dave Eggers, „Gott ist nicht schüchtern“ von Olga Grjasnowa ...
Der neue John-Grisham-Justizthriller folgt im April („Bestechung“), Tenor Rolando Villazón ist auf den Geschmack gekommen und hat seinen zweiten Roman, „Lebenskünstler“, fertig, Irene Dische beobachtet einen Kaspar Hauser in New York („Schwarz auf Weiß“), von Amos Oz kommen dieses Jahr Erzählungen unter dem Titel „Wo die Schakale heulen“.
Im Mai wird Elvis Presley leben, als erfolgreicher Elvis-Imitator. Darüber hat Tobias Geigenmüller geschrieben, in „Das ziemlich lebendige Leben des vermeintlich toten Elvis“. Von Heinrich Steinfest erscheint seine aktualisierte „Gebrauchsanweisung für Österreich“.
Über den Juni ist bereits bekannt, dass es kalt wird: Rebecca Hunt kümmert sich in „Everland“ um Antarktis-Expeditionen. Im Juli erscheinen Baudelaires „Blumen des Bösen“ in Neuübersetzung, und einige Fallstudien von Oliver Sacks sind nach seinem Tod aufgetaucht, „Das kreative Gehirn“.
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