Ein Konzert der Rockband Dives. Ausgemacht ist, dass das Trio sich Instrumente von der anderen Band ausborgt, die dabei auftritt.
„Wir drei von den Dives, unsere Tontechnikerin und unser Roadie standen beim Aufbau auf der Bühne“, erinnert sich Gitarristin Tamara Leichtfried im KURIER-Interview. „Der Typ von der anderen Band geht auf unseren Roadie zu und fragt ihn: ,Was wollt ihr euch denn ausborgen?‘ Er hat automatisch angenommen, dass der Mann der Musiker ist!“
Ähnliches erleben Dives Backstage bei Festivals: „Da wird automatisch angenommen, eine Frau ist die Freundin von einem Musiker oder beim Catering. Das kommt subtil, aber es gibt einer Künstlerin das Gefühl, keine Berechtigung zu haben, da zu sein.“
Das – und die Annahme, die Frau in der Band ist die Sängerin – sagt Sophie Lindinger, Bassistin, Produzentin und Frontfrau von Leyya, sei „der Klassiker“. Immer wieder wurde beim Aufbau für Shows ihr Leyya-Partner Marco Kleebauer gefragt, wie sie ihr Set-up haben will – obwohl sie daneben stand. Speziell die Technik-Expertise wird Frauen in dieser Szene nicht zugetraut.
Deshalb hat Lindinger auch als Produzentin mit groben Vorurteilen zu kämpfen. „Wenn ein Mann sagt, er ist Produzent, heißt es nur: ,Cool‘“, erklärt sie. „Wenn ich das sage, kommt ,Ach so? Und was machst du da?‘. Sie denken, dass ich nur daneben stehe und jemand anderem sage, wie ich etwas haben will. Wenn ich dann erzähle, dass ich am Mischpult arbeite, alles selbst verkabel und mikrofoniere, sind sie total erstaunt. Dieses Erstaunen ärgert mich am meisten. Und dann kommt: ,Zeig mal her!‘ Ich muss mich zehnmal mehr beweisen und zehnmal mehr arbeiten als die Kollegen. Das erzeugt Druck und das Gefühl, man ist nicht gut genug.“
Österreichs ESC-Vertreterin Paenda, die ebenfalls selbst Produzentin ist, bekam einmal vorgeworfen, dass sie einen Machtkampf austrage, weil sie bei einem ihrer Songs eine genaue Vorstellung davon hatte, wie er klingen soll. Ein anderer Produzent hat ihn hinter ihrem Rücken überarbeitet: „Als ich sagte, ich will es aber so, wie ich es hatte, sagte er: ,Um das zu entscheiden, musst du dir meine Version hundertmal anhören. Und dann weißt du, dass sie besser ist.‘“
Valentina Carubia erlebte sexistische Diskriminierung schon am ersten Tag ihres Tontechnik-Studiums – und die kam gar nicht subtil daher: „Ich war das einzige Mädel in der Klasse, und der Lehrer sagte über mich zu den Burschen: ,Ihr Gesicht braucht ihr euch nicht zu merken, denn sie bleibt eh nicht länger als zwei Wochen!‘ Von da an war für ihn jede Frage, die ich gestellt habe, eine blöde Frage; ich hab mich zurückgezogen und wenig gefragt.“
Das Studium abgeschlossen hat Carubia trotzdem. Sie arbeitet als Tontechnikerin beim Fernsehen und macht bei Bilderbuch-Produzent Zebo Adam ein Praktikum, um das Sounddesign für eine Band zu erlernen. Adam ist einer ihrer Unterstützer. Sie hat auch noch andere, glaubt, dass sich das Frauenbild in der Szene gerade ändert.
„Zwei Jahre nach mir waren schon acht Frauen im Tontechnikstudium. Und einmal bei der Arbeit bei einem Festival hat ein Typ geglaubt, er muss mir erklären, wie die leichtesten Arbeiten funktionieren. Hinterher bin ich aber draufgekommen, dass er unsicher war, weil er selbst totale Probleme mit Leuten hatte, die ihn oberg’scheit ’rumkommandiert haben. Man kann also auch nicht alles darauf schieben, dass man eine Frau ist. Und ich hab gelernt, dass ich auch an einem selbstbewussteren Auftreten arbeiten muss. Das sollte natürlich nicht die Voraussetzung für eine Gleichbehandlung sein, aber es ist auch sehr wichtig.“
Ähnlich sieht das Mira Lu Kovacs, die solo, mit der Band 5K HD und zusammen mit Sophie Lindinger in My Ugly Clementine Musik macht.
„Ich habe auch erlebt, dass auf einer Konzertreise das ganze Technikteam nur mit den Männern in der Band gesprochen und mich komplett ignoriert hat“, erzählt sie. „Mich ärgert, wenn es auf Festivals Backstage nur eine Toilette gibt. Da hat man nicht darüber nachgedacht, dass auch Frauen da sind. Und Journalisten fragen mich, wie ich es machen werde, wenn ich ein Baby bekomme, oder kommentieren mich körperlich anstatt künstlerisch. Das passiert Männern nicht.“
Aber: Kovacs hat schnell Methoden gefunden, damit umzugehen: Sie tritt selbstbewusst in den Raum und erklärt „aggressiver, was Sache ist“. Oder sie macht Scherze, dass das unangebrachte Verhalten zwar aufgezeigt wird, aber die Stimmung nicht kippt. „All das sind Werkzeuge“, sagt sie. „Aber es ist ein Unterschied zwischen dem, was einem hilft, mit Sexismus umzugehen, und dem, was gerecht wäre. Mir wäre auch lieber, die Werkzeuge nicht brauchen zu müssen.“
Wie Lindinger hat sich Kovacs deshalb in ihrem Arbeitsumfeld einen „geschützten Kreis“ geschaffen, in dem die Männer reflektiert und sensibilisiert mit dem Thema umgehen. „Es gibt eine Szene, die nicht mehr an diesem heteronormativen System interessiert ist, die größer wird. Das alte System lässt sich nicht ändern, aber wir bauen eine neue Welt von feministischer, queerer Kunst. Und die Leute kommen zu uns, weil diese Welt viel spannender ist.“
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