Glücklicher als jemals zuvor sei sie, deponiert Billie Eilish gleich mit dem Albumtitel. Und das trieft natürlich vor jenem Geh-Bitte-Sarkasmus, mit dem junge Menschen Fragen nach ihrem Wohlbefinden gerne begegnen.
Ja, Papa, geht eh super.
Wie es um die Popsängerin der Stunde emotional wirklich steht, das kann man, wenn man will, aus den Songs ihres nun erschienenen zweiten Albums abzulesen versuchen.
Wie hieß es einst bei Facebook? Es ist kompliziert.
Für immer jung
Eilish ist großartig. Sie hat mit ihrem Debüt „When We Fall Asleep, Where Do We Go?“ die ganze zähe Komplexität des Jungseins eingefangen, zwischen brütenden Gedanken und unbegründeten (oder um wenig Geld erstandenen) Hochs. Mit jener Art von drüberstehender Witzelei und Klugheit versehen, mit der sich junge Menschen über das Leben retten.
Dabei hat sie gleich auch jene Songstrukturen abgelegt, auf die die Boomer so stolz waren. Refrain? Kann jeder. Es gab elektronische Stampfer und Ritte durch Songruinen. Ein früher Geniestreich.
Man will nicht in der Situation sein, so einem Album ein neues nachliefern zu müssen. Schon im Vorfeld passierte, was passieren musste: Kaum waren ein paar Songs bekannt, wurde Eilish angemault, um wie viel schlechter sie seien als die alten.
„Meine Titten sind größer als deine!“, antwortete sie auf TikTok.
Das neue Album als Playlist
Die enthemmt auf ihre eigene Blödheit bestehende Öffentlichkeit ist auch gleich eines der Themen, um die sich „Happier Than Ever“ dreht. Im gesprochenen Song „Not My Responsibility“ zählt sie taxativ auf, wofür die Menschen sie so verurteilen.
Es ist ihr, frei übersetzt, wurscht. Und auch wieder nicht.
Und da sind wir wieder bei Eilishs Kernstärken. Auch auf „Happier Than Ever“ arbeitet sie sich mit geradezu erstaunlicher Souveränität durch das Leben, wie es heute halt so ist.
Statusnachricht
Jetzt wurde es aber das Leben von jemandem, der im grellen Scheinwerferlicht zu sich finden muss. Eilish grübelt über sich, ihre Gefühle, über Liebe, Selbstbestimmung, Trennungen, ihren Status.
Die Album-Titelzeile bekommt, Ukulele-untermalt, einen neuen Kontext: Sie sei glücklicher denn je – „wenn ich von dir weg bin“.
Und: „Jeder stirbt. Überraschung!“, singt sie später.
Verpackt ist das in einen deutlich weiterentwickelten Sound, melodischer, an manchen Stellen austauschbarer als das Debüt.
Eilish zeigt, etwa im besser gelaunten „my future“ oder in „OverHeated“, neue Facetten ihrer Stimme.
Hervorragende Aussichten auf das nächste Livekonzert bietet das überaus tanztaugliche „Oxytocin“. Am Schluss („Male Fantasy“) wirds dann Singer/Songwriter-artig, fast schon nostalgisch. „Ich sorge mich, dass ich mich immer so fühle“, singt sie. Glücklicher als je zuvor – das ist halt relativ.
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