Smartboy mit Herzchenkonfetti
Samstag Punkt 20.27 Uhr. Showstart in der seit Wochen ausverkauften Wiener Stadthalle mit einem Knall und Feuerfontänen. Der Vorhang mit den Initialen MB hebt sich für den Halbgott des Show-Jazz.
Smartboy Michael Bublé auf „To Be Loved“-Welttournee schlendert in Tuxedo und Lackschuhen maximal lässig von einer Schräge an die Rampe. Schon beim Auftaktsong, dem durch Peggy Lee populären Klassiker „Fever“, werden im Parkett die ersten religiös, kreischen enthemmt: „Ogottogott!“
Alte Schule
Mister Nice Guy mit Sex Appeal entfaltet seine Wirkung. Auf der Tournee, bei der er allein bei einer Konzertserie in London 170.000 Besucher hatte, begleitet von seiner Frau, der Schauspielerin Luisana Loreley Lopilato aus Argentinien und dem fünf Monate jungen Sohn Noah.
Es folgt nahtlos die erste Eigenkomposition: „Haven’t Met You Yet“ aus dem Album „Crazy Love“. Damit holt der supernette Superstar die Leute zum ersten Mal aus den Sitzen.
Frauenschwarm
It’s Swingtime. Retro total. Na und? Wer den klassischen Jung-Crooner, der als Sänger auf Hochzeiten begann und herrlich laid back singen kann, flapsig einen „Frank Sinatra für Hausfrauen“ nannte, übersieht, dass auch Ol’ Blue Eyes einst in den 40er-Jahren Hausfrauen in Ekstase versetzt und eine Massenhysterie ausgelöst hat.
Und wie der 38-jährige Kanadier in eine unpersönliche, weitläufige Halle so etwas wie Nähe und Intimität zaubert, das macht ihm so schnell keiner nach. Seine swingende Version von Sinatras Signature-Song „You Make Me Feel So Young“, „Try A Little Tenderness“, die bei ihm zur Jazzballade wird, ohne seinen Soul-Ursprung zu verlieren. und Van Morrisons „Moondance“ zeigen, dass Bublé mehr als nur ein Sinatra- Epigone ist.
Sympathisch
Aber ein selbstironischer Entertainer und Charmeur: Küsst nach der zweiten Nummer tatsächlich den Bühnenboden und geht zum ersten Mal auf Tuchfühlung mit dem Publikum. Umarmung und Bussi, Bussi inklusive.
Romantisch soll’s nun weitergehen, sagt er. Zum Händchenhalten. Zum Kuscheln. Zum Schmusen. Etwa bei „How Can You Mend a Broken Heart“. „Und wenn wir uns dann mögen: dirty sex“, sagt Bublé mit einem verschmitzten Lächeln.
Wie er als Entertainer mit perfekt einstudierter hoch professioneller Natürlichkeit auftritt, als wären ihm seine Witzchen in der Sekunde spontan eingefallen, erinnert an Paul Anka.
Bublé beamt Oldies but Goldies ins 21. Jahrhundert. Er ist darauf spezialisiert, die musikalische Vorvergangenheit des Pop poppig aufzubereiten. Ein Sänger mit akzentuiertem Schmelz irgendwo zwischen Tony Bennett und Dean Martin. Unterstützt von einer 13-köpfigen Big Band mit Bläsersektion, einem Wiener Streicherensemble und den schwarzen Sängern der Vorgruppe Naturally 7.
Standards reißt er aus dem stilistischen Kontext und präsentiert sie in Breitwandarrangements als zeitlose Klassiker. Sound und Rhythmus sind zwar oft vom guten alten Jazz inspiriert. Aber statt der Leichtigkeit des Swing kommen Grooves ins Spiel, die an das Finale eines Musicals oder Hollywood-Blockbusters erinnern.
Zugabe „A Song For You“
Nach dem Daft-Punk-Knaller „Get Lucky“ läuft Bublé, von Bodyguards begleitet, durch das Parkett, schüttelt Hände und entert eine weitere Bühne mitten in der Halle u. a. mit „Who’s Loving You“ und „To Love Somebody“ von den Bee Gees. Ja, der Rundumerneuerer alter Swinghits singt auch Rock und Pop zum Mitklatschen und Mitsingen, was ein paar Weihnachtskerzen-Schwenkerinnen animiert.
Alles ist schmerzfrei.
Easy Listening. „All You Need Is Love“ mündet in einem rot-weißen Herzchenkonfettiregen. Und ins Finale – vor drei Zugaben, beginnend mit dem schönen, alten „Cry Me A River“ – mit „It’s a Beautiful Day“. Ob’s den selig Mitschunkelnden und -singenden bewusst war, dass dieser Titel ein herrliches Antiliebeslied ist?
KURIER-Wertung:
Künstler
Ein Entertainer und Charme- bolzen als Rampensau – zwischen Witz und Kitsch. Michael Bublé hat die alte Unterhaltungskunst ins 21. Jahrhundert gebeamt. Ein Showstar irgendwo zwischen Tony Bennett und Dean Martin.
Repertoire
Abwechslungsreich von Sinatra- Songs wie „You Make Me Feel So Good“ über Popsongs der Bee Gees und Jackson 5 bis zum verswingten Discohit „Get Lucky“ von Daft Punk.
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