Skandalkunst ist zum Aufwärmen ungeeignet

Skandalkunst ist zum Aufwärmen ungeeignet
Der ORF würdigt in einer "Langen Nacht des Aktionismus" jene Kunstrichtung, die Österreich einst auf die Palme brachte.

Wie fühlt es sich an, nackt und mit verbundenen Augen über Neapel am Kreuz zu hängen und mit Blut begossen zu werden? Für die Akteurin, die in der Doku "Mit Leib und Seele" von Thaddäus Podgorski jun. zu Wort kommt, ist die Teilnahme an einer Aktion von Hermann Nitsch "wie ein Orgasmus, nur ohne Orgasmus". Die emotionale Aufruhr, die ihr im Film anzusehen ist, ist dabei ziemlich sicher nicht gespielt.

Hermann Nitsch, der verehrte wie geschmähte Aktionist und Erfinder des "Orgien-Mysterien-Theaters", wird später im Studio des ORF- Kulturmontags einer Gesprächsrunde erklären, dass wir alle nur "in der lauen Gacke" sitzen: "Ich möchte, dass die Menschen intensiver werden."

Ausbruch aus dem Mittelmaß

Der Ausbruch aus dem Mittelmaß, die Auflehnung gegen repressive Strukturen war in den 1960er-Jahren vielerorts Programm, doch Österreich brachte mit dem Aktionismus eine Ausformung der Revolution hervor, die bis heute in Form von Kunstwerken, Aktionsfotos und Filmdokumenten ästhetisch greifbar und damit auch musealisierbar ist.

Die sechsstündige "Lange Nacht des Aktionismus" (ab 23.30 Uhr, ORF 2 ), die in Kooperation mit dem Wiener MUMOK entstand, beteiligt sich an der musealen Aufarbeitung der einflussreichen, oft skandalisierten Kunstrichtung. Neben Podgorskis Nitsch-Doku sind Filmdokumente früher Aktionen von Brus, Muehl und anderen zu sehen. Zwischen den Beiträgen diskutiert Martin Traxl mit Künstlern, Galeristen, einstigen Weggefährten und Fachleuten u. a. darüber, ob die Aktionen nicht primär eine Zurschaustellung von Frauen waren.

Aktionismus-Gegner fehlen

Wie der KURIER bei der Vorab-Aufzeichnung der Gespräche sehen konnte, ist letzteres Thema weniger kontroversiell als es scheint. Allerdings fehlen erklärte Aktionismus-Gegner wie Radikal-Tierschützer, Pornojäger und Michael Jeannee in den Runden: "Diese Kontroversen noch einmal nachzuspielen, hätte ich für nicht zielführend erachtet", erklärt Redaktionsleiter Franz Grabner dazu.

Emotional wird es trotzdem - nämlich, wenn die Diskussion auf das gescheiterte Experiment der Muehl-Kommune am burgenländischen Friedrichshof kommt. Ex-Kommunarde Theo Altenberg ist hier ein wertvoller Zeitzeuge, der sich nicht scheut, die "schlimmste Zeit meines Lebens" Revue passieren zu lassen.

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