Unstetes Leben, erschütternde Liebe

Sizarr sind: Fabian Altstötter, Marc Übel und Philipp Hülsenböck (v. li.).
FM4 ist 20: Bei der Party zum runden Geburtstag ist die deutsche Band Sizarr eine der Hauptattraktionen.

Es ist noch nicht einmal erschienen und schon hat Fabian Altstötter Bedenken, was "Nurture", das zweite Album seiner Band Sizarr, betrifft. "Ich will es nicht schlecht machen, aber ich fühle mich in meiner Denkweise schon viel weiter voran, als die Texte dokumentieren. Denn kurz bevor wir damit fertig wurden, hatte ich einen extremen Schub in meinem Leben", erzählt der 23-jährige Gitarrist, Sänger und Haupt-Songwriter des deutschen Trios.

Ein Schub, der aber nicht an dem Erfolg lag, den Sizarr 2012 mit dem Debüt-Album "Psycho Boy Happy" hatten. Schwebende Synthesizer, punkige Gitarren, wuchtige Bässe und Tribal-Perkussion vereinigten sich in dem komplexen Sound, den Altstötter, Keyboarder Philipp Hülsenbeck und Drummer Marc Übel damals in die Welt trugen. In Frankreich, Island, Spanien und beim renommierten "South By Southwest"-Festival in Austin/Texas traten die drei auf.

Krösus

Doch das sieht Altstötter mit cooler Distanz: "Es war nett – eine tolle Zeit, die wir sehr genossen haben. Aber deshalb fühlen wir uns jetzt nicht wie Krösus."

Was den 23-Jährigen weit mehr beeinflusst hat, war "mein unstetes Leben": "Ich bin voriges Jahr drei Mal umgezogen, war dann in Leipzig, wo wir unseren Proberaum haben. Aber dann habe ich mich zum ersten Mal verliebt und das hat mich – in positivem Sinne – erschüttert. Der Liebe wegen bin ich dann noch einmal nach Berlin umgezogen. Dadurch hat sich viel in mir verändert. Aber da war es schon zu spät, um beim Album noch viel umzuschmeißen und all die neuen Ideen, die ich hatte, einzubauen."

Trotzdem bietet "Nurture" (erscheint am 27. Februar) einen etwas anderen Sound als das Debüt. "Wir wollten, dass die Songs geradliniger und in den Arrangements simpler aufgebaut sind. Der Fokus sollte mehr auf Melodie und Text liegen", erklärt er. Warum, weiß er nicht so genau: "Wir hatten einfach Lust darauf!"

INFO: Das FM4-Fest findet heuer am Samstag (24. 1.) in der Ottakringer Brauerei in Wien statt und ist schon ausverkauft. Unter anderen live mit dabei sind: Sizarr, Skero, Die Sterne und Catastrophe & Cure.

Als FM4 vor 20 Jahren „on air“ ging, war Monika Eigensperger als Redakteurin dabei. Ein Jahr später übernahm die mittlerweile 55-Jährige die Leitung des öffentlich-rechtlichen Jugendradiosenders.

Wie viele Stunden hören Sie täglich FM4?
Monika Eigensperger: So viel wie möglich.

Drehen Sie dabei auch mal genervt das Radio ab?
Natürlich bin ich eine besonders aufmerksame Radiohörerin - und wenn mich einmal etwas nervt, drehe ich eher lauter und analysiere, was mich gerade stört.

Welche Radiosender haben Sie im Auto einprogrammiert?
Ich habe keinen Führerschein.

FM4 wird stets das Etikett Jugendradiosender angeheftet. Trifft das überhaupt noch zu? Oder anders gefragt: Wie jugendlich ist der Sender heute?
Jugendlichkeit ist keine Frage des Geburtsjahrs. Ein Sender für die ganz Jungen waren wir aber auch früher nicht – einfach schon durch die Einstiegshürde der Zweisprachigkeit. Die größte Affinität zu FM4 haben die 20- bis 24-jährigen Hörer. Aber um auf den Kern der Frage zu kommen: Natürlich liegt unser Fokus auf Pop- und damit Jugendkultur. Wir entdecken – gerade auf der musikalischen Ebene – ständig und gerne Neues und berichten darüber bzw. bauen neue musikalische Spielarten auch in unser Programm ein. Auch in der redaktionellen Berichterstattung spielen etwa Bildungspolitik, Gesellschaftspolitik und neue Medien eine große Rolle, also Themen, die junge Menschen interessieren.

Wie viel Einfluss haben Sie auf das Programm?
Die Redaktion arbeitet unabhängig – aber natürlich rede ich als Senderchefin inhaltlich mit. Mein Einfluss erstreckt sich aber eher auf andere Bereiche: meiner Mannschaft den Rücken stärken, ein möglichst reibungsloses Arbeiten ermöglichen, dem Team Feedback geben, eine gewisse Sensibilität dafür behalten, was FM4 ausmacht und was es will, und notfalls eingreifen, falls einzelne Punkte auftreten, die dieser Essenz von FM4 widersprechen.

Wie quotenorientiert muss FM4 arbeiten?
Unsere Hörerzahlen sind seit Jahren – mit den üblichen Schwankungen – stabil. Wir sind ganz klar als Kultursender für eine jüngere Zielgruppe positioniert und erfüllen diesen Auftrag meiner Meinung nach hervorragend. Rund die Hälfte der FM4-HörerInnen ist zwischen 20 und 35 Jahre alt und formal hoch gebildet - und unsere HörerInnen sind uns treu.

Was unterscheidet den FM4-Hörer von damals vom FM4-Hörer von heute?
Vieles ist gleich geblieben: Unsere Hörer sind nach wie vor weltoffen, überdurchschnittlich musikinteressiert und sehr gebildet. Was sich – für alle Medien, nicht nur FM4 – geändert hat, ist der Aufbruch des starren Sender-Empfänger-Musters. Unsere HörerInnen sind 2015 daran gewöhnt, FM4 nicht nur passiv zu empfangen, sondern in einen Dialog mit uns zu treten – dazu haben Social Media viel beigetragen.

Wie stehen Sie zum geplanten trimedialen Newsroom auf dem Küniglberg, der bis 2021 umgesetzt werden soll?
Am Küniglberg soll nicht nur ein Newsroom gebaut werden, sondern ein neues Gebäude, das auch die Heimat von Ö3, ORF On, Studio Wien, Ö1 und eben FM4 werden soll. Der Newsroom ist ein Teil dieser Planungen. Zunächst einmal ist eine neue räumliche Ordnung nur das: ein neuer Raum, den man mit Leben füllen muss. Gutes Programm kann man überall machen. Das Funkhaus hat natürlich einen besonderen Stellenwert für all jene, die seit Jahren hier arbeiten und es als Heimat ansehen – und eine Heimat gibt man nicht so ohne Weiteres auf.

Man spricht gerne von einer FM4-Familie. Wie familiär geht es beim Sender zu?
Ich spreche lieber von der FM4-Community. Wir sind nicht durch Blut zwangsweise aneinander gebunden; wir alle wollen hier sein, weil wir gemeinsam zu dem, was FM4 ausmacht, beitragen wollen. Das erfordert eine gewisse Diskussionskultur, ein Eintreten für die eigene Meinung, aber auch die Fähigkeit zum Kompromiss. Ich glaube aber, dass wir eine freundschaftliche, gute Atmosphäre haben – mehr wie ein Freundeskreis als eine Familie.

Immer wieder beklagen sich Bands darüber, dass sie es nicht in die FM4-Playlist schaffen. Wer trifft die Musikauswahl, und nach welchen Kriterien?
Die Musikauswahl trifft die Musikredaktion. Wir bekennen uns zu einer musikalischen Ausrichtung abseits des Mainstreams. Besonderes Augenmerk richten wir auf heimische Acts. Wenn man jetzt von diesen Grundprinzipien absieht, dann muss man den MusikexpertInnen überlassen, was sie als relevant, spannend und FM4-affin ansehen. Das kann die neue Single von Kanye West sein, aber genauso das Debütalbum einer österreichischen Band. Außerdem: jedem Recht gemacht ist schlecht gemacht.

Wir haben bei drei Bands nachgefragt, welchen Stellenwert FM4 für ihre Karriere hat bzw. hatte.

KURIER: Welchen Einfluss hat/hatte FM4 auf eure Karriere?
Peter Horazdovsky (Bassist von Bilderbuch): Als wir 2009 unser erstes Album veröffentlichten, war das größte Ziel, einmal einen seiner eigenen Songs auf FM4 zu hören. Schwer konnten wir uns damals vorstellen, dass "Calypso" von FM4 gut aufgenommen wurde und später auch rauf und runter laufen sollte. Mittlerweile ist FM4 noch immer einer der wichtigsten Medienpartner. Unsere Songs laufen nach wie vor rauf und runter - zuletzt hat FM4 "Maschin" auf Platz neun der 20-Jahre-FM4-Charts gewählt.

Unstetes Leben, erschütternde Liebe
APA19116690_28062014 - WIEN - ÖSTERREICH: Der Sänger Franz Adrian Wenzl von der österreichischen Indie-Rock Band "Kreisky" während eines Konzertes im Rahmen des 31. Wiener Donauinselfestes am Samstag, 28. Juni 2014 in Wien. Das Donauinselfest findet vom Freitag, 27. Juni bis Sonntag, 29. Juni 2014 in Wien statt. FOTO: APA/HERBERT P. OCZERET
Franz Adrian Wenzl(Sänger von Kreisky): Einen positiv unterstützenden und verstärkenden Einfluss – sobald sie einmal gecheckt haben, dass die Musik was ist.

Philipp Kroll alias Flip (von der österreichischen Hip-Hop-Band Texta): Ich denke dass FM4 natürlich sehr wichtig für unsere Karriere war, nachdem sich ja Ö3 Anfang der 90er vom österreichischen Musikgeschehen abgewandt hatte und somit FM4 zur Standesvertretung der Independent-Szene wurde. Auch waren sie diejenigen die sich vor allem im Rahmen von Tribe Vibes speziell um die Hip-Hop Szene angenommen haben. Insofern hat uns FM4 seit Anfang unserer Karriere begleitet und freundlicherweise unterstützt.

KURIER: Muss man es sich in Österreich mit FM4 gut stellen, um wahrgenommen zu werden, Erfolg zu haben?
Horazdovsky: Gut stellen ist definitiv der falsche Ausdruck. Wir hatten in unserer Karriere noch niemals das Gefühl, uns irgendwie niederknien zu müssen. Ganz im Gegenteil wurden wir von FM4 als Österreichische Künstler immer mit Respekt behandelt. Das ist - wie man ja weiß - definitiv keine Selbstverständlichkeit. Was allerdings stimmt ist, dass FM4 eine sehr gute Plattform für (Österreichische) Musik ist. Aus diesem Grund wünschen sich sehr viele Künstler Airplay von FM4 zu bekommen, um ihre Musik einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Nichts desto trotz ist FM4 nicht die eine Instanz, die über Erfolg oder Misserfolg einer Band entscheidet.

Wenzl: Ich hab nicht das Gefühl, dass die so leicht pikiert sind oder das persönliche Animositäten übermäßig viel ausmachen. Es arbeiten ja auch genug Leute bei FM4: Gefällt dem einen was nicht, gefällt es vielleicht einem oder einer anderen. Und wenn es keinem gefällt, muss man vielleicht die eigene Qualitätssicherung noch mal überdenken.

Kroll: Naja, was heißt gut stellen? Wir haben uns jetzt nie angebiedert und unseren Sound oder ähnliches für FM4 adaptiert. Unser Sound und speziell unsere Texte haben halt seit Anfang an gut in das inhaltliche Konzept des Senders gepasst und natürlich wurden im Lauf der Jahre viele Redakteure auch gute Freunde. Aber gut stellen um jeden Preis, muss man sich sicher nicht. Wenn man halt blöd agiert und ignoranten Schwachsinn von sich gibt, dann wird es halt schwierig, in den FM4 Kosmos einzutauchen.

Unstetes Leben, erschütternde Liebe

Wird die heimische Musikszene von FM4 ausführlich repräsentiert?
Horazdovsky: Nein. Die Frage ist aber auch, ob es das Ziel ist, die österreichische Musikszene ausführlich zu präsentieren, bzw. ob das denn überhaupt möglich ist. Was ist "österreichische Musikszene"? - Volksmusik, Pop, Jazz, Elektronik, Rock, Metal und alles, was dazwischen, darüber und darunter liegt..? FM4 ist aber auf jeden Fall der österreichische Radiosender, der die österreichische Musikszene am ehesten in seiner Vielfalt und mit seinen vielseitigen Randerscheinungen abbildet. Manche Sender machen das gar nicht, andere nur in Einzelsendungen.

Wenzl: Advanced Popmusik wird schon breit abgebildet – aber irgendwas geht natürlich immer ab.

Kroll: Es ist auf jeden Fall das Bemühen da, soviel lässt sich konstatieren. Angefangen vom Soundpark hin zu den Spezialsendungen bis auf das Tagesprogramm wo es auch viele Acts in die Rotation schaffen. Aber wer schafft es schon alle Künstler und Künstlerinnen gleichmäßig zu repräsentieren?

Würdet ihr euch eine Quote für österreichische Musik wünschen? Wenn ja, in welcher Höhe?
Peter Horazdovsky: Tatsächlich finden ich es unbedingt notwendig mehr österreichische Musik in die Radios zu bekommen. Wenn das nur mit Quoten möglich sein sollte, würde ich das sehr schade finden. Das Problem bei Quoten ist, dass sie absolut nichts an der Monotonie und Mutlosigkeit mancher Sender ändern würden. Sie würden vielleicht mehr österreichische Musik spielen - aber dann eben nicht sechs Mal den Song einer österreichischen Schmalzballaden-Dand, sondern eben zehn Mal. Ob das der österreichischen Musikszene hilft?

Unstetes Leben, erschütternde Liebe
APA4009520 - 29042011 - WIEN - ÖSTERREICH: Philipp Kroll alias Flip von der österreichischen Hip-Hop-Band "Texta" am Donnerstag, 28. April 2011, während eines Interviews mit der Austria Presse Agentur (APA) in Wien. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Franz Adrian Wenzl: Vom FM4 nicht, die haben das eh ganz gut im Gefühl. Und was Ö3 angeht: Aus Wirtschaftsförderungsgründen wär wohl eine Quote schon gut, rein künstlerisch ist mir das scheißegal.

Kroll: Prinzipiell sehen wir das ambivalent, aber manche lernen es halt nicht ohne Strafandrohung. Insofern lieber Ja als Nein - und wenn, dann so, dass es sich auszahlt, sprich 30 Prozent aufwärts.

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