Experiment mit drei Männermasken

Siri Hustvedt, mit dem Schriftsteller Paul Auster verheiratet, ist kürzlich 60 Jahre alt geworden.
Die gleißende Welt. Rache an den Kunst-Deppen.

So einfach und einfach befreiend wie im vergangenen Roman "Der Sommer ohne Männer" (2011) wird es diesmal nicht.

Siri Hustvedt kehrt nach der Geschichte von der Ehefrau, deren Mann seine jüngere Sekretärin "ausprobieren" will, in die New Yorker Kunstszene zurück.

Dass sich die US-Schriftstellerin in dieser Welt mit Hirn und Eleganz zu bewegen versteht, hat sie in Büchern längst bewiesen.

Wie zeichnet man "jederzeit", "aber" , wie malt man "vorige Woche"?

Mit Pfeilen vielleicht?

Verpackung

Das ist zwar ein groooßes Problem, welches gestreift wird, denn "Die gleißende Welt" ist auch ein Roman, der Spaß macht. Aber das Thema ist ernster.

Experiment mit drei Männermasken
buch

Siri Hustvedt erhellt (und leuchtet aus): Im Kunstgeschäft geht es meist um Männer. Frauen leiten zwar Galerien, gezeigt werden jedoch überwiegend Bilder von männlichen Künstlern. Kunst von Männern ist fast immer viel teurer als die von Frauen.

Und wenn Frauen als Künstlerinnen wahrgenommen und gefeiert werden – sind sie dann nicht oft schon alt bzw. nicht mehr begehrenswerte "Sexualobjekte"?

Die Heldin des Romans, die reiche New Yorker Kunsthändler-Witwe Harriet Burden, wird mit ihren Installationen übersehen, ignoriert, belächelt.

Ein Experiment: Harriet rächt sich an den Deppen und verpackt ihr Werk anders – sie bedient sich dreier männlicher Künstler. Nicht nur deren Namen verwendet sie, sondern die ganzen Menschen.

Mit den Masken kommt augenblicklich der Erfolg. Das Spiel gelingt. Allerdings meint einer der Männer, es wäre seine Show.

Das ist mehr als ein feministrischer Text. Kunst ist Maskerade, Masken werden Kunst, das Leben ist ein Weg auf Zehenspitzen über Landminen ... reich ist "Die gleißende Welt", vielstimmig, voller Ideen, Intellekt, und bestens strukturiert ist sie. Man hängt an Hustvedts Lippen. Bzw. Buchstaben.

Wie im Houdini-Buch, so kommt auch bei Siri Hustvedt die Konfabulation vor: Bei klarem Bewusstsein erinnert man sich falsch.

Eigenartig, Jahrzehntelang hatte man nichts von dieser neurologischen Krankheit gewußt. Jetzt lernt man sogar: Man muss gar nicht gehirngeschädigt sein, um Unsinn zu reden.

Es erleichtert die Sache bloß ein wenig.

KURIER-Wertung:

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