Als Herausforderung hat er diese Fusion der musikalischen Welten aber nie gesehen. „Man muss aufpassen, denn einige arabische Tonleitern haben Vierteltöne. Und wenn du die singst, darf kein anderes Instrument eine Note spielen, die da zu nah dran ist, sonst reibt sich das. Aber damit es eine Herausforderung ist, muss da zuerst der Wunsch gewesen sein, diese Welten zu fusionieren. Den hatte ich aber nie. Das kommt einfach instinktiv.“
Und das liegt an der Geschichte von Tamino. Der Sohn eines Ägypters und einer Belgierin bekam beide Traditionen in die Wiege gelegt. Dazu kam, dass sein Opa der berühmte arabische Musiker und Schauspieler Muharram Fouad war.
„Ich weiß gar nicht, ob mein Opa so viel Einfluss auf meine Musikkarriere hatte“, sagt Tamino. „Ich kannte ihn kaum. Wir haben in Kairo gelebt, als ich ein bis drei Jahre alt war. Da habe ich ihn gesehen. Aber dann trennten sich meine Eltern. Ich bin bei meiner Mutter in Belgien aufgewachsen und mein Opa starb, als ich fünf war. Aber natürlich hatten wir Opas Platten und viele andere mit arabischer Musik zu Hause. Ich habe es geliebt, sie zu hören, und tue das noch. Aber ich liebe auch Radiohead, Nirvana und Tom Waits.“
Tamino, benannt nach der Figur aus der Oper „Die Zauberflöte“, liebte auch klassische Musik und Chopin, studierte als Kind Klavier, bevor ihm in der Pubertät die „sozialen Kontakte und Mädchen“ wichtiger wurden.
Erst als ihm eines dieser Mädchen das Herz brach, als er 14 war, setzte er sich wieder ans Klavier und schrieb seinen ersten Song darüber. „Wie ich all diese Gefühle in einem Song ausdrücken konnte, hat mich fasziniert. Ich würde nicht sagen, dass das den Schmerz gelindert hat, denn er kultiviert ihn im selben Maße. Aber Songs zu schreiben, half mir, einen Sinn in diesem Gefühlswirrwarr zu finden. Und seither bin ich süchtig danach, alles, was mich bewegt, so zu verarbeiten.“
So sind die Themen von Taminos Songs häufig auch philosophische Gedanken über den Glauben und das Vertrauen in das Leben - auch wenn rundum die Welt am Beginn des Zusammenbruchs zu sein scheint. Wie ihn das Buch „Im Grunde gut: Eine neue Geschichte der Menschheit" von Rutger Bregman beeinflusst hat, fließt in den Song „A Drop Of Blood" ein.
„Wenn ich es realistisch betrachte, muss ich denken, dass wir erledigt sind. Ich bin nicht gläubig im Sinne einer Religion, aber ich will mir meinen Glauben daran erhalten, dass es viel Gutes in der Welt und in der Menschheit gibt. Es wird immer Kriege geben und wir werden einander immer weh tun. Aber Bregmans Buch zeigt soviel Anekdoten von positiven Gegenbeispielen auf, dass du danach das Leben anders siehst. Du kannst den Menschen wieder mit dem Glauben an das Gute in ihnen begegnen. Und das ist das Gefühl, mit dem ich durch die Straßen und raus in die Welt gehen will."
Dass sich der Song „You Don't Own Me", in dem Tamino gegen Oppression ansingt, auf die Situation in Syrien oder einen anderen bewaffneten Konflikt in der Welt bezieht, will er nicht bestätigen. „Das ist ein Song, den jeder, der sich unterdrückt fühlt, für sich beanspruchen kann. Ich hatte meine eigenen Unterdrücker, denen ich diesen Song entgegen schleudern wollte, aber ich habe das Lied ganz bewusst offen gehalten. Denn man kann sich auch in der Schule oder in einer Beziehung oder von strengen Eltern unterdrückt fühlen. Dieser Song handelt von Freiheit und Widerstand. Aber wenn ich ihn auf eine spezifische Situation hin geschrieben hätte, würde ich alle anderen ausschließen. So aber ist er für jeden, der ihn braucht."
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