Sind U2 endgültig müde geworden?

Das mit fragwürdigem Marketing über Apple verschenkte U2-Album mag nicht unter die Haut gehen.

Geschenk oder Spam?", fragten sich so manche ältere iTunes-User in den letzten Tagen. So manche der jüngeren "Wer ist U2?". Die irische Band hat nämlich gerade mit einem Überraschungs-Coup ihr neues Album "Songs Of Innocence" veröffentlicht: Hergeschenkt über Apples Download-Plattform iTunes – so, dass es sich bei einem Großteil der User über die synchronisierte Cloud automatisch auf die Festplatten lud. Egal, ob man U2 mag. Egal, ob man "Songs Of Innocence" nicht mag, obwohl man U2 einst gemocht hat.

Denn über all die Kritikpunkte zur Art der Veröffentlichung hinaus – von der Zwangsbeglückung bis zur für Newcomer fatalen Signalwirkung, Musik sei nichts wert – sind auch die Songs enttäuschend.

Die Anfänge der Band, erzählte Sänger Bono dem Rolling Stone, sei das primäre Thema von "Songs Of Innocence" gewesen. "Lasst uns herausfinden, warum wir überhaupt in einer Band sein wollten, die Beziehungen in und außerhalb der Band, unsere Lieben, unsere Familie. Die ganze Platte dreht sich um erste Reisen – geografische, spirituelle, sexuelle." Doch U2 tun sich hörbar schwer, heute dahin zurückzufinden – zu der Leidenschaft, der Aufregung und dem Entdeckergeist.

Belanglos

Vieles an dem Album klingt wie ein zweiter Aufguss der besten Momente von damals. "Every Breaking Wave" ist eine nette Melodie, aber viel zu konventionell mit poppigem Rock unterlegt. Daran ändert leider auch der sonst so innovative Gnarls-Barkley-Produzent Danger Mouse nichts. "California (There Is No End To Love)" erinnert anfangs an die Surf-Chöre der Beach Boys, plätschert dann aber belanglos dahin. Ähnlich ist es mit dem Lykke-Li-Duett "Troubles" und "Raised By Wolves", die vielversprechend beginnen, im Refrain aber abfallen.

Es gibt aber auch ein paar recht ansprechende Songs: "Sleep Like A Baby Tonight" hat überraschende Wendungen in der Dynamik und einen Schuss Blues-Feeling. "The Miracle (Of Joey Ramone)" beginnt wie eine Stadion-Rock-Hymne, entwickelt sich aber mit einem guten Refrain und druckvollen Gitarren zum vielleicht ambitioniertesten Stück. Alles in allem aber hat man das Gefühl, U2 wären auf der ohnehin schon ein paar Alben dauernden Suche nach Weiterentwicklung endgültig müde geworden.

"Sounds Of Innocence" soll laut Bono bald ein zweites Album namens "Sounds Of Experience" folgen. Bleibt zu hoffen, dass das inspirierter klingt, die verschenkte Ware die Ausschussware ist. Denn mit diesen zwar nie richtig schlechten, aber auch niemals unter die Haut gehenden Liedern – die noch dazu mit so bedenklichen Methoden vertrieben wurden – werden U2 dann wohl einen Knaller brauchen, um die Karriere wieder auf Kurs zu bringen.

KURIER-Wertung:

Kommentare