Sie sind oben, und das ist wirklich der Gipfel

APA4921890-2 - 19082011 - SCHANDORF - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT KI - Der österreichische Schriftsteller Peter Rosei während eines Interviews mit der APA am Dienstag, 16. August 2011, im burgenländischen Schandorf. APA-FOTO: ROBERT JAEGER
Peter Rosei im KURIER-Gespräch über seinen neuen Roman "Madame Stern".

Wieso hat sie so hässliche Beine? Vor allem aber: Wieso merkt man sich so was nach dem Lesen? Vielleicht hat man sich an den schlimmen Rest schon gewöhnt – an die Machtgeilheit. Aber an hässliche Beine ...
Peter Roseis „Madame Stern“ ist wieder ein schlanker Roman geworden.
Dem Verdichter, der nur lachen kann, wenn einer wie John Irving behauptet, 800 Romanseiten schreiben sich viel schwerer, reichen 153 Seiten, um einerseits aus Kärnten ans Ziel zu kommen.
Andererseits vom 14. Wiener Bezirk aus.

Etwas Feines

Sie sind oben, und das ist wirklich der Gipfel
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Im Roman davor, „Geld!“ (2011), hatte er die neuen Aufsteiger samt Frauen hergezeigt: haltlos, bodenlos, respektlos.
„Die haben ihr Herz tatsächlich ans Geld gehängt“, sagt Peter Rosei im KURIER-Gespräch.
„Die Welt der Frau Stern aber dreht sich um Macht, um gesellschaftliche Geltung. Deshalb landet sie ja zuletzt am ,Gipfel‘ – im Sinn auch von: Das ist der Gipfel! Sie landet in den Armen des schönen Ministers und Machtträgers.“

... der in Kärnten gewachsen ist. Ein Typ, wie wir ihn alle kennen. „Glatt“ reicht völlig, um ihn zu beschreiben.

Und Frau Stern, Gisela Stern? Hat von der Mama früh gelernt, dass man in die Oper geht, um gesehen zu werden. Spätestens auf dem Weg durch den Burggarten verwandeln sich schlichte Leut’ in ganz was Feines. Dass sich der Vater in dieser Scheinfamilie erhängt, ist rasch verdaut.
Man sagt halt den Bekannten, die fragen, der Arme habe einen Herzinfarkt gehabt.
Auch dass die fleißige „Gisi“ später, als für Kredite zuständige Bankdirektorin, einen verschuldeten Verleger (’s ist ja nur Kultur) in den Donaukanal treibt, schockiert bestenfalls ein paar Fische.
Die Gier treibt an, und es ist kein Wunder, dass sie und der Finanzminister einander finden. Wobei ja Frau Dr. Stern gierig auf Anerkennung ist und dem Politiker schon deshalb bei einem „linken“ Geschäft zu Diensten ist. (Im Wachtraum fetzt er ihr den BH herunter, und sie packt ihn an der Gurgel und spuckt ihm ins Gesicht.)

Peter Rosei – 66 ist der studierte Wiener Jurist schon – lässt nach oben klettern und fallen. Dass sich der Ehemann scheiden lässt, wird die Titelfigur am Leichtesten verkraften.
Immer sparsamer wird Rosei beim Schreiben.
Irgendwann wird einer seiner Romane dieser „Menschlichen Komödie“ aus nicht viel mehr als einem stilsicheren Punkt bestehen; und trotzdem wird jeder wissen: Das ist Österreich.

KURIER-Wertung: ***** von *****

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