Sie nannten ihn Zauberer
Sie nannten ihn Tommy, Zauberer, Reh, Pielein oder Herrpapale: Die Beziehung Thomas Manns zu seiner Familie hatte viele Gesichter. Manche seiner Kinder – die ältesten Klaus und Erika sowie die jüngste, Elisabeth – liebte er abgöttisch. Und er machte kein Hehl aus seiner Abneigung gegen andere: Michael, der Zweitjüngste, litt sein Leben lang unter der Kälte des Vaters. Es war tatsächlich ein Freund der Familie, Ernst Klett, der in einem Brief an den zweitältesten Sohn Golo Mann Anfang der 1980er-Jahre vom "Mann’schen Defekt" sprach, den alle in der Familie hätten. Man kann es auch vornehmer ausdrücken: Es war viel los in dieser Familie.
Thomas Mann (1875–1955) zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. "Buddenbrooks. Verfall einer Familie", "Der Zauberberg" oder "Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" sind im Kanon der Weltliteratur fest verankert.
Fast ebenso berühmt wie die literarischen Werke des Nobelpreisträgers sind seine familiären Verstrickungen. Der bürgerlichen Fassade samt Ehe und sechs Kindern stand das komplexe Innenleben des Künstlers gegenüber: homoerotisches Begehren, politisches Engagement und enorme Ich-Bezogenheit. Stoff genug für Dutzende Biogafien über jedes einzelne Mitglied der Familie Mann.
Mann, oh Mann! Tilmann Lahmes wunderbare Biografie einer schrecklich verlogenen Familie
Es war eine Sensation. Als in den späten Siebzigerjahren Thomas Manns Tagebücher veröffentlicht wurden, glaubte man, nun „Die Wahrheit über Thomas Mann“ gefunden zu haben. Die Tagebücher, schreibt Mann-Biograf Tilmann Lahme, holten ihn „aus der Klassikerecke heraus und pusten den Staub weg und all die Legenden vom Bügelfalten-Dichter (...)“. Lahme hat nun selbst ein Buch herausgebracht, das allem, was bereits über diese bemerkenswerte Familie geschrieben wurde, noch einiges hinzufügen kann. Lahme beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Familie Mann und hat 2009 eine vielgerühmte Golo-Mann-Biografie veröffentlicht. Für „Die Manns. Geschichte einer Familie“ (Fischer, 25,70€) hat er die gesamte, in großen Teilen unbekannte Familienkorrespondenz der Manns ausgewertet. Und es tun sich Abgründe auf. Man liest vom Sohn Klaus, der als Schriftsteller so berühmt sein will wie der Vater. Von Erika, der ältesten Tochter, die gemeinsam mit Klaus das Geld der Eltern verschleudert, durch die Welt reist und Drogen nimmt. Von Golo, der am liebsten seine Ruhe möchte, und vom zornigen Michael, der sein Leben lang unter der Ablehnung des Vaters leidet. Von Monika, die alle für blöd halten, und von Papas Liebling, Elisabeth, die mit Tieren redet und die Welt retten will.
Manfred Flügge/ Das Jahrhundert der Manns
Der Literaturkritiker Marcel-Reich-Ranicki schrieb: „Ich glaube, dass es in Deutschland keine bedeutendere, originellere und interessantere Familie gegeben hat als die Manns.“ Manfred Flügges Biografie ist ein Wegweiser durch das Universum der Manns. Literarische Werke stellt Flügge in Zusammenhang mit Zeit- und Lebensgeschichte dar. „Es ist schon wirklich eine erlauchte Versammlung, aber einen Knacks hat jeder“, schrieb Thomas Mann 1942 seinem Sohn Klaus, Aufbau Verlag, 23,60€.
Eveline Hasler / Stürmische Jahre
Zürich, 30er-Jahre: Thomas Mann, Franz Werfel, Annemarie Schwarzenbach – berühmte Autoren fanden hier zusammen, mittendrin das heute vergessene Ehepaar Ferdinand und Marianne Rieser. Ihrem Engagement war es zu verdanken, dass das von ihnen gekaufte und privat betriebene Theater am Pfauen zu einer Heimat im Exil für viele durch den Nationalsozialismus gefährdete Schauspieler aus Deutschland wurde. Nagel & Kimche, 22,60€
Kommentare