Sie haben nie wuh, wuh gemacht

Inszenierte Legende: Buffalo Bill im Comic
Éric Vuillard erzählt die Geschichte von Buffalo Bill: Ein absurdes Theater, mit dem die Massenunterhaltung begonnen hat

Buffalo Bill (1846 – 1917) war ein großer Inszenierer. Ein dämonischer.

Das Spektakel, das er über zwei Jahrzehnte veranstaltete – auch in Rom, auch in Karlsruhe – und pro Vorstellung 15.000 Leute anlockte, Städter, die auch einmal Indianer sehen und Indianer hassen wollten ... diese "Wild West Show" spielte beispielsweise die Schlacht am Little Bighorn nach.

Sitting Bull gegen General Custer.

Einen der wenigen großen indianischen Siege im Kampf um ihr Land.

In seiner Version ließ Buffalo Bill manchmal die weißen Schauspieler gewinnen; und angeblich hat er sich am Ende seines 71-jährigen Lebens eingebildet, er habe am Little Bighorn seinen Freund Custer gerettet ...

Zornig

Die Show läuft noch. Sagt der französische Schriftsteller und Regisseur Éric Vuillard in "Traurigkeit der Erde". Er meint: Die Ureinwohner sind die Statisten ihres Unglücks geblieben. Sie klatschen immer noch – im TV, auf Spielplätzen, es ist unauslöschbar im Gedächtnis festgehalten– auf ihren Mund und machen wuh, wuh, wuh; das hat ihnen Buffalo Bill angeschafft. Nie sonst haben sie so blöd geheult. Mit dem schauspielernden Bisonjäger, der sich zur Legende inszenieren konnte, begann die Massenunterhaltung.

Vuillard sucht sich Themen aus der Geschichte, die ihn zornig machen. Das war vor ein paar Jahren die grausame belgische Kolonialzeit im Kongo; und das ist jetzt die Besinnung darauf, dass die Tragödie der Indianer in einen Zirkus verwandelt wurde ... in dem man die Gedemütigten noch einmal demütigte. Sitting Bull spielte für 50 Dollar pro Woche mit, weil er glaubte, aufklärend auf die Weißen einwirken zu können. Misslungen.

Regentropfen

Wenn sich die paar Überlebenden des Massakers von Wounded Knee für Buffalo Bills Lügen in den Staub werfen, ist das ein so intensives, absurdes Bild, dass man wegschauen möchte.

Tut man dann aber nicht, weil auf der Welt genügend oft weggeschaut wird.

Die Show läuft noch: Irgendwo wird immer jemandem alles, wirklich alles, geraubt, gestohlen, genommen. Die "Traurigkeit der Erde" betrifft nicht ausschließlich Indianer.

Éric Vuillard muss sich in Zaum halten, um nicht zu viel seiner Poesie auszupacken. Die Mitteilung, dass sich das "echte Leben" in "jedem Regentropfen" zeigt, gehört in andere Bücher. In meteorologische.


Éric Vuillard:
„Traurigkeit der Erde“
Übersetzt von
Nicola Denis.
Verlag Matthes & Seitz.
136 Seiten.
18,50 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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