Der Berserker unter den Stand-up-Comedians
Die Ungemütlichkeit ist sein Metier. "Jede Minderheit hat ein Recht auf Diskriminierung", sagt Serdar Somuncu und lässt bei verbalen Rundumschlägen keine Gruppe aus: Türken, Juden, Islamisten, Schwule, Nazis ...
Bekannt wurde der in Istanbul geborene Komiker durch Lesereisen mit Hitlers "Mein Kampf" Ende der 90er-Jahre, als er mit Kommentaren und Textanalysen die Widersprüche der NS-Ideologie entlarvte. Die Folge: Morddrohungen aus der rechten Szene, Polizeischutz und eine kugelsichere Weste.
Mit "H2 Universe – Die Machtergreifung" ist der "Radikalcomedian" in Kürze auf Tournee. "In Wien brauchen die Türken immer etwas länger, bis sie erfolgreich sind", scherzt Somuncu mit Anspielung auf zwei Türkenbelagerungen.
Was er nicht mag: geheuchelte Political Correctness. Was er nur schwer abschätzen kann: Seine Wirkung auf das Publikum. "Aber das ist gut so. Meine Projekte sollen immer offen sein. Was ich mache, soll auch immer ein Risiko bleiben", sagt Somuncu im KURIER-Gespräch.
Dialog
Auf Provokation legt er es nicht an. Eher auf Konfrontation, wenn er sich fragt: Was passiert, wenn ich "Mein Kampf" vor den Leuten lese, die diesen Text nicht kennen, obwohl sie ihn vertreten? "So entstand die Idee der Konfrontation eines Schauspielers mit einem Thema vor Leuten, die das vielleicht auch missverstehen könnten. Und es war unglaublich fruchtbar, weil wir zum ersten Mal – jedenfalls in meinem künstlerischen Leben – eine Auseinandersetzung um Richtig und Falsch geführt haben", sagt der 46-Jährige, der "vom Theater ins Kabarett gestolpert" ist.
"Ich habe natürlich auch vor Zuschauern mit einem begrenzten Horizont gespielt, die dachten: Was will der eigentlich von uns? Es gab heikle Situationen, Überfälle, und man wollte mich umbringen. Dann kommt es auf das Talent an zu vermitteln. Ich habe das Gott sei dank. Ich kann, ohne unterwürfig zu sein, mit Leuten einen Dialog führen."
Aber schrecken kann sich in Österreich sogar der härteste Comedian: FPÖ-Wahlplakate wie "Daham statt Islam" könne man in Deutschland nie machen.
"Das würde eine öffentliche Debatte geben. Und die Plakate würden in kurzer Zeit entfernt werden", sagt Somuncu. "Würde ich in Österreich leben, ich wäre manchmal schon sehr wütend, wenn ich höre, was Politiker sagen. Und wie frech sie es sagen."
Trotzdem bringe es "etwas heraus, was da ist. In Deutschland braucht man ein Buch von Sarrazin. Und plötzlich merken die Leute: 40 bis 50 Prozent der Bevölkerung stimmen so einem Typen zu. Obwohl alles immer sehr linksliberal wirkt: ,Wir mögen die Ausländer und haben gar nichts gegen Moscheen.‘ Nur stimmt es nicht."
Und wie ist die Entwicklung in der Türkei? "Erschreckend. Erdoğan ist eine große Gefahr für die säkulare Entwicklung der Türkei. Er ist dabei, viel zu zerstören, was sich über Jahre aufgebaut hat: Gleiche Rechte für Frauen und Männer. Trennung zwischen Staat und Religion", sagt Somuncu. "Fatalerweise macht er auch manches richtig. Die Regierung ist die stabilste, die das Land je hatte. Erdoğan ist ja der Helmut Kohl der Türkei. Aber er ist nur durch das Wahlrecht stark und hat gar nicht so viel Rückhalt in der Bevölkerung, wie man hier denkt."
Info: 10. 6. Leonding; 11. 6. Klagenfurt; 12. 6. Graz; 13. und 14. 6. Wien, Stadtsaal. Karten: oeticket.com
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