Seiler und Speer: "Wir sind jetzt keine Heiligen"
Nach wenigen Tagen Gold für das neue Album „Für immer“ und mit dem Erstlingshit „Ham kummst“ in der 160. Woche immer noch unter den Top 30. Das ist die aktuelle Erfolgsbilanz von Seiler und Speer. Mit dem KURIER sprach Christopher Seiler über das Umdenken nach dem Unfall von Bernhard Speer, der 2017 mit seinem Auto gegen eine Pfeiler fuhr und monatelang im Spital lag, den Glauben an die „hilfsbereiten Österreicher“ und Missverständnisse bei seinen Texten.
KURIER: Sie sagen, mit „Für immer“ haben Sie sich auf ihre Stärken besonnen. Was sind diese Stärken?
Christopher Seiler: Bei uns gab es früher immer eine Lockerheit. Das war der Spirit, der Seiler und Speer ausgemacht hat. Der war beim vorigen Album „Und weida“ nicht mehr da. Da war alles viel verkrampfter, weil im Musikerdasein alles noch neu für uns war. Wenn man das mit dem neuen Album vergleicht, merkt man, dass wir mit „Für immer“ angekommen sind.
Es gibt viele nachdenkliche Stücke auf „Für immer“. Eine Nachwirkung des Unfalls von Bernhard Speer?
Sicher. Und dann sind auch viele Leute gestorben, die wir gekannt haben – sei es altersbedingt oder durch Krebs. Man hat gemerkt, das Leben besteht nicht nur aus Party und Halli Galli. Es steckt viel mehr dahinter. Und: Es ist nicht für immer, kann abrupt zu Ende sein. Deshalb heißt das Album „Für immer“ – weil wir gerne hätten, dass es für immer wäre.
Wie hat sich der Unfall auf Sie persönlich ausgewirkt?
Alles, was mit dem Erfolg verbunden war, war so neu für uns: Du wirst überall hofiert, wodurch wir viel zu schnell, viel zu oberflächlich und unbewusst gelebt haben. Ich glaube, wir haben schon vor dem Unfall gespürt, dass das nicht lange gut geht. Mit dem Unfall haben wir von wem auch immer einen Wink bekommen, dass es so nicht weitergeht. Da ist es dann ein bisschen ruhiger um uns geworden und wir haben in der Pause eine Distanz zu dem Rummel bekommen, sind so selbst ruhiger geworden.
Ich nehme an, „ruhiger“ bezieht sich auf Party machen und das Saufen . . .
Genau. Wir sind ja nicht in einem Mädcheninternat, der Rock ’n’ Roll war schon da. Ich meine, wir sind jetzt immer noch keine Heiligen. Aber früher war das viel intensiver. Früher sind wir besoffen auf die Bühne gewackelt, haben geglaubt, wir können machen, was wir wollen. Das hat sich irrsinnig auf unsere Live-Performance ausgewirkt. Heute gibt es vor dem Konzert keinen Tropfen Alkohol. Da steht im Vordergrund, dass wir eine gute Show abliefern.
Der Song „Déjà-vu“ handelt von einem Mann, der sich versauft, weil er seinen öden Job nicht aushält . . .
Vorbild dafür war mein Onkel. Der hat immer gearbeitet, war aber nie glücklich dabei. Er kämpfte mit Alkoholismus, weil er davor davongelaufen ist. Der Mensch hängt an der Flasche, weil er glaubt, damit hängt er noch an der Brust, aber in Wahrheit ist das nur ein Zeichen davon, nicht erwachsen werden zu wollen und Problemen aus dem Weg zu gehen.
Würden Sie das auch von sich selbst sagen?
Natürlich bin ich da keine Ausnahme. Ich bin sicher einer, der mehr trinkt, wenn etwas nicht so gut läuft und er etwas verdrängen will. Aber ich habe gelernt, damit umzugehen, und stelle mich jetzt lieber den Dingen. Das ist vernünftiger, denn das Leben ist definitiv zu schade, um es zu versaufen.
„Servas Du“ haben Sie mit Wolfgang Ambros aufgenommen. Ist er ein Idol?
Ich bin mit dem Begriff Idol vorsichtig, weil das bedeutet, dass man dem Idol nacheifert. Und dann ist man eine Kopie und kein Original. Aber Wolfgang ist auf jeden Fall eine große Inspiration. Ohne ihn wäre unser Musiklandschaft komplett anders. Man sagt uns ja nach, dass wir das, was er auf die Landkarte gebracht hat, wieder ausgegraben haben. Es gibt sicher eine Verbindung.
Wie würden Sie diese Verbindung beschreiben?
Ich denke, dass wir der österreichischen Volksseele einen Spiegel vorhalten. Das kann lustig, satirisch und bitterböse sein, aber es ist immer ein Spiegel. Ich halte das für effektiver, als Missstände direkt anzuprangern. Denn dann ist immer der erhobene Zeigefinger dabei. Das will ich nicht. Und meine Hörer können sich aus dem Spiegel rausnehmen, was sie wollen.
Was, wenn sie zum Beispiel „I zag euch oun“ nicht als ironisch sehen?
Dann kann ich mich immer noch darüber beschweren. Aber im Prinzip kann ich die Songs nur geben und hoffen, dass sie sich rausnehmen, was ich gemeint habe. „I zag euch oun“ basiert auf dem Online-Forum einer großen österreichischen Tageszeitung. Dort geht es immer nur gegen irgendetwas. Wenn ein siebenjähriges Mächen einen Wettbewerb gewonnen hat, geht garantiert die Hälfte der Kommentare gegen dieses Mädchen. Weil sich jeder, der einen Account hat, äußern kann, ist unsere Gesellschaft dermaßen verroht.
Halten Sie die Österreicher für extreme Nörgler?
Ich halte die Österreicher im Grunde ihres Herzens für sehr hilfsbereite Menschen. Aber man geniert sich mittlerweile dafür, weil man dann sofort als linksliberaler Gutmensch abgestempelt wird. Was ja kompletter Schwachsinn ist: Jemanden denunzieren, weil er ein guter Mensch sein will! Das Problem ist, dass immer die dümmsten und bösesten Menschen die lautesten sind. Man glaubt, das ist die Mehrheit, aber sie sind nur viel lauter als Menschen, die besinnlich und mit sich im Reinen sind. Und eines muss man auch sagen: Zum Nörgeln gehört schon ein gewisser Wohlstand. Das Paradoxe ist, man beginnt erst zu nörgeln, wenn es einem gut geht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand in Afrika je solche Probleme breittreten würde. Denn der hat echte Probleme.
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