Secession: Zwischen Archivarbeit und Alchemie

Secession: Zwischen Archivarbeit und Alchemie
Die Schau "Mutatis Mutandis" zeigt neue Künstler und ihre Welterklärungen.

Stellen Sie sich vor, Ihre Tageszeitung würde heute nicht im gewohnten Layout samt Titelbild, Logo und Leitglosse erscheinen. Statt dessen fänden sich auf der Titelseite Pentagramme und andere kryptische Zeichen, und die einzelnen Artikel wären in rätselhaften Diagrammen angeordnet – so als hätte alles mit allem auf irgendeine weltverschwörerische Art miteinander zu tun.

Die britische Künstlerin Suzanne Treister hat genau solche Titelseiten gezeichnet. In der Schau "Mutatis Mutandis" in der Wiener Secession (noch bis 2. September) bildet die Werkserie "Alchemy", für die Treister Zeitungstitel wie die New York Times, Die Welt oder auch die Süddeutsche Zeitung adaptierte, aber nur einen Auftakt. Umfangreicher ist die Serie "Hexen 2.0", in der ähnlich faszinierend-durchgeknallte Diagramme die Zusammenhänge zwischen der Kybernetik, dem Kalten Krieg und LSD-Papst Timothy Leary näherbringen wollen.

Kryptisch

Fürwahr, es kann abenteuerlich werden, wenn sich Künstler in Archive wagen und sich ans Erklären und Analysieren machen. Secessions-Gastkuratorin Catherine David – in der Kunstwelt als hoch intellektuelle Leiterin der 10. Documenta (1997) ebenso berühmt wie umstritten – behauptet nicht direkt, dass die Künstler beim Umgang mit Information besser wären als etwa Wissenschaftler, Archivare oder Journalisten. Sie gesteht ihnen allerdings einen privilegierten Standpunkt zu und lässt eine für Kuratoren typische Präferenz für alles "Alternative" und "Komplexe" erkennen. Manche Ansätze sind in der Tat faszinierend – etwa, wenn die Künstlerin Elisabetta Benassi Rückseiten alter Agentur-Fotos minutiös abmalt und so Erinnerungen bearbeitet. Der Konnex der einzelnen Positionen bleibt aber nebulös, und so beschränkt sich der Erkenntnisgewinn auf eine Handvoll Künstlernamen, die man sich merken könnte.

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