"Im Beirat sitzen ja keine Tschapperln"

Die Sanierung des "Krauthappels" kostet 300.000 Euro, die Secession will aber drei Millionen.
Herwig Kempinger verteidigt die Empfehlung, den Beethovenfries nicht zu restituieren.

Im März setzte der Kunstrückgabebeirat den monatelangen Spekulationen ein Ende: Er empfahl einstimmig, den Beethovenfries von Gustav Klimt nicht an die Erben des einstigen Besitzers Erich Lederer zu restituieren. In den Krieg der Argumente hatte sich auch die Secession eingeschaltet, deren Präsident seit Ende 2013 der Fotograf Herweig Kempinger ist: Die Künstlervereinigung sah keinen Grund für eine Rückgabe. Sie ist allerdings der größte Nutznießer. Denn der gewaltige Bildzyklus, 1902 für die Präsentation einer Beethoven-Büste in der Secession geschaffen, ist im Keller des Jugendstil-Juwels untergebracht. Ob der "Kampf um Klimt" ausgestanden ist?

KURIER: Werden die Erben nach Lederer die Empfehlung des Rückgabebeirats akzeptieren? Oder werden sie Klage einbringen – zum Beispiel in den USA?

"Im Beirat sitzen ja keine Tschapperln"
Herwig Kempinger, Präsident der Secession
Herwig Kempinger: Ich kann das nicht beurteilen. Ich weiß auch nicht, ob eine Klage Aussicht auf Erfolg hätte. Aber unser Restitutionsgesetz ist international vorbildhaft. Die Entscheidungen des Beirats kann man, finde ich, schon ernst nehmen. In dem sitzen ja keine Tschapperln, sondern fundierte Historiker, Kunstgeschichtler, Juristen.

Im "Art Newspaper" wurde die Empfehlung, den Fries nicht zu restituieren, kürzlich stark kritisiert: Sie sei ein Beweis für die Unreife Österreichs.

Ich sehe das gelassen. Ronald Lauder, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, sagte in einem Interview mit der Presse, es sei der Wunsch von Lederer gewesen, dass der Fries in Wien bleibt. Der Fries und die Secession: Das ist eine Einheit. Für mich ist die Diskussion um den Fries mit der Entscheidung beendet; ich hätte aber auch akzeptiert, wenn der Beirat sich für eine Rückgabe ausgesprochen hätte.

Nicht beendet ist die Diskussion mit dem Belvedere. Ende des Jahres läuft der Leihvertrag aus. Wie viel verdient die Secession pro Jahr mit dem Fries?

Unsere Eintrittskarten gelten für alle Ausstellungen im Haus. Wir wissen natürlich, dass viele Besucher wegen des Frieses kommen. Bei 100.000 Besuchern jährlich kalkulieren wir mit einem Verdienst von ungefähr 350.000 Euro für den Fries.

Belvedere-Direktorin Agnes Husslein will eine höhere Leihgebühr. Die Secession hat derzeit 17.000 Euro zu zahlen. Wo liegt für Sie die Schmerzgrenze? Bei 100.000 Euro?

Dieser Betrag wäre nicht machbar. Wir sind eine maßlos unterbudgetierte Institution – und brauchen die Einnahmen, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Ich sehe den Fries als Teil der Bundessubvention an.

Husslein hat zudem konservatorische Bedenken geäußert: Gutachten würden bestätigen, dass im letzten Jahrzehnt Risse hinzugekommen seien.

Andererseits gibt es eine Stellungnahme des Denkmalamts (BDA), der höchsten Instanz für Restaurierung und Konservierung. Es hat den Fries überprüft und bestätigt, dass kein akuter Handlungsbedarf besteht.

Das Budget beträgt etwa 1,7 Millionen Euro. Die Secession bekommt 310.000 Euro von der Stadt Wien, 250.000 vom Bund, zudem gibt es Sponsoren und den Freundesverein. Warum reicht das Geld nicht?

Weil wir im Vergleich mit vielen anderen Institutionen ein sehr intensives Ausstellungsprogramm machen. Wir halten es für wichtig, dass man Kunst nicht nur googelt, sondern dass man auch vor ihr stehen kann. Fünf Ausstellungszyklen im Jahr: Das verursacht eben hohe Kosten.

Kürzlich gaben Sie bekannt, dass die Secession drei Millionen Euro für die Sanierung braucht. Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny meinte hingegen im KURIER-Interview, dass die Künstlervereinigung keine Miete zahlen müsse – und daher verpflichtet sei, das Gebäude in Schuss zu halten.

Das machen wir natürlich auch. Aber die derzeit notwendigen Maßnahmen übersteigen unsere Möglichkeiten. Die Restaurierung der Kuppel etwa ist bei der Höhe unserer Subventionen einfach unmöglich.

Wie viel kostet die Renovierung der Kuppel?

Etwa 300.000 Euro.

Wofür sind die 2,7 Millionen?

Die Fassade wurde letztmalig 1998 gestrichen. Bei dem Verkehr rund um die Secession ist dies leider in regelmäßigen Abständen nötig, damit das Gebäude als der weiße Tempel erstrahlt, als der er konzipiert wurde. Außerdem würden wir gerne einen barrierefreien Zugang zum Beethovenfries ermöglichen. Dafür brauchen wir einen Lift. Wir brauchen eine neue Klimaanlage und eine neue Lichtdecke. Diese Sachen sind alle 30 Jahre alt – die gehören ganz einfach wieder einmal gemacht.

Neben dem Hauptraum gibt es die Galerie im Keller und das Grafische Kabinett. Hat sich das Konzept, parallel mehrere Positionen zu zeigen, bewährt?

Ja. Ich finde es interessant, eine dialogische Situation zwischen zwei oder drei Künstlern herzustellen. Das wird aber hin und wieder aufgebrochen: Kristin Oppenheim bespielt gerade die Galerie und das Kabinett.

Die Secession zeigt vor allem internationale Künstler. Warum?

Wir haben auch immer wieder österreichische Positionen – aber das müssen nicht zwangsläufig Secessionsmitglieder sein. Wir überlegen uns, was in der Situation sinnvoll ist – oder was in Wien bisher gefehlt hat. Derzeit zeigen wir Josef Strau: Den kennt hierzulande fast niemand. Nächstes Jahr zeigen wir Oliver Laric, von dem bisher wenig in Wien zu sehen war. Wir wollen auch Stanley Brouwn zeigen.

Ist das Programm auch eine Kritik am Mumok?

Nein, allenfalls eine Kritik an der generellen Ausstellungspraxis der Institutionen. Manche Künstler sehen wir hier häufig, andere gar nicht. Ich finde, es braucht Impulse von außen. Da hat man eine Verantwortung – auch gegenüber den in Wien lebenden Künstlern. Die Secession hat im Ausland einen wirklich fantastischen Ruf erlangt. Daher stellen auch sehr berühmte Künstler bei uns aus, zuletzt etwa Robert Irwin oder Michael Snow. Ich weiß nicht, ob Vija Celmins in einer anderen Institution in Wien ausstellen würde. Wir zeigen sie Ende dieses Jahres.

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