Während Ronald als Jugendlicher ein äußerst erfolgreicher Turnierspieler gewesen war, hätte sein Vater viel darum gegeben, am Platz besser zu sein. Arnold Schönberg hat akribisch Buch geführt über den Ausgang jedes Games und ein eigenes Scoring System entwickelt, mit dem er herausfinden wollte, woran es lag, wenn er oder sein Sohn verloren hatte. George Gershwin zählte zu seinen liebsten Tennispartnern und Freunden.
Leicht war es für Ronald nicht gewesen, diesen Traum seines Vaters zu leben. Zu viel Druck war auf ihm gelegen und nach jedem verlorenen Match eine Woche lang die Stimmung im Hause Schönberg gedrückt.
Abgesehen davon war Arnold Schönberg ein äußerst hingebungsvoller Vater. Er hat viele Dinge für seine drei Kinder gebastelt, zum Beispiel eine kleine Ampel für den Garten, wo Ronald mit seinem Dreirad herumfuhr oder eine Geige aus Karton, Spielkarten und Schachfiguren. „Noch immer in diesem Haus zu leben, birgt viele wunderbare Erinnerungen“, sagt Ronald. Bei den Stiegen vor dem Haus war der „Gentlemen’s Club“, erzählt er. „Mein Vater war der Leiter dieses Clubs. Wir haben gemeinsam ein Lied komponiert und das haben wir dann immer gesungen.“
Worin bestand die Tätigkeit dieses Clubs? „In erster Linie ging es darum, von den Stiegen herunter zu springen. Und mein Vater sagte uns dann immer, wie weit wir gesprungen waren.“
Es gab aber auch einen „Ladies Club“, ebenso mit eigener Hymne.
Um die 60 war Arnold Schönberg, als er noch Vater von drei Kindern wurde: Nuria, Ronald und Lawrence. Er war sehr dankbar für dieses späte Glück, sich aber auch bewusst, dass er seine Kinder nicht aufwachsen sehen würde. Das bekümmerte ihn sehr.
Ronald erinnert sich daran, dass er oft krank war und sehr sensibel, wenn es um sein Alter ging. Aber er war auch sehr bemüht um ein gutes Familienleben. Die gemeinsamen Mahlzeiten waren ein fixer Bestandteil des Alltags. Österreichisches Essen wurde oft serviert, und besonders beliebt waren natürlich die Mehlspeisen.
Ronald erinnert sich noch gut daran, wie die drei Geschwister eingeteilt wurden, den Teig für den Apfelstrudel zu ziehen. „Jeder von uns stand in einer anderen Ecke und wenn der Teig riss, hörten die gegenseitigen Beschuldigungen nicht auf.“
In die Schule bekamen die Kinder aber meistens Peanutbutter-Sandwiches mit. Die hat sein Vater immer persönlich für sie vorbereitet.
Er war sehr bestrebt um eine Assimilation an die neue amerikanische Heimat und studierte täglich das Wörterbuch, um neue Vokabel zu lernen. Seinen starken Akzent habe er allerdings nie angebracht, für seine Schüler war es oft nicht leicht gewesen, ihn zu verstehen.
1933 gelang dem Wiener über Paris die Emigration nach New York. Dort erzählte man ihm von den vielen Möglichkeiten und dem guten Wetter in der Filmmetropole und lockte ihn damit nach Hollywood. „Nun, zumindest ein Teil davon war wahr“, meint Ronald, „das Wetter war wunderbar.“
Doch nur einmal kam sein Vater mit der Filmmaschinerie in Kontakt, er sollte die Musik zu einer Verfilmung des Romans „Die gute Erde“ von Pearl S. Buck schreiben. Doch als ihn der erfolgreiche MGM Produzent Irving Thalberg mit den Worten begrüßte, dass er sich sehr freue, weil Schönberg so schöne Musk schreibe, war ihm gleich klar, dass der wenig Ahnung hatte und entgegnete ihm nüchtern: „Ich schreibe keine schöne Musik.“
Nachdem ihm dann auch noch geschildert worden war, was in dem Film alles passierte, von Kampfszenen über Geburten, fragte er nur: „Wenn ohnehin so viel passiert, wer braucht dann noch Musik?“
Aus dem Projekt wurde dann schließlich nichts, und Ronald meint, dass sein Vater einfach keine Kompromisse eingehen wollte. Aus einer Karriere in Hollywood war, anders als bei Erich Wolfgang Korngold, nichts geworden.
Arnold Schönberg war dann lange Professor an der University of Southern California (USC) und später an der University of California, Los Angeles (UCLA). Auch wenn er ein hingebungsvoller Lehrer gewesen war, so litt er anfänglich doch sehr darunter, dass das Niveau der amerikanischen Studenten nicht an das in Europa herankam. In Wien hatte er schließlich Anton Webern und Alban Berg unterrichtet. Und auch Hanns Eisler, den er später in Los Angeles wiedersehen sehen sollte und der ihn mit Bertolt Brecht bekannt machte, war sein Schüler gewesen.
Bei uns ist Schönberg in erster Linie für die von ihm entwickelte Zwölftonmusik bekannt. Vor 100 Jahren, im Juli 1921, schrieb er in der Villa Josef in Traunkirchen sein erstes Stück in diesem System, das „Präludium der Klaviersuite op 25“. Hat er diese Methode auch unterrichtet? „Er hat überhaupt nicht versucht, irgendjemanden von der Zwölftonmusik zu überzeugen“, erklärt sein Sohn: „So wie du fühlst, sollst du komponieren“, war sein Dogma.
Wie es sich mit so einem berühmten Namen lebt? „In Los Angeles spielt die klassische Musik keine große Rolle“, meint er und erzählt mir eine Anekdote. Sein Bruder habe einmal einen Parkschein in einer Tiefgarage abgeholt und der Mann, der dort arbeitete, sagte zu ihm: „Oh, Schönberg, diesen Namen kenne ich, das ist doch der Typ mit den großen Muskeln.“ Natürlich hatte der an Arnold Schwarzenegger gedacht und nicht an den schmächtigen Komponisten, der vor 70 Jahren, am 13. Juli 1951, in Los Angeles verstorben ist.
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