Schmidt: "Einen Scheißdreck interessiert’s mich"

Schmidt: "Einen Scheißdreck interessiert’s mich"
Harald Schmidt im Interview über Gefeuertwerden, Wutbürger, neue Medien und das schöne Österreich.

Im Mai beendete Sat.1 die Zusammenarbeit mit Harald Schmidt, ab kommenden Dienstag (22.15 Uhr) ist der Großmeister des deutschen TV-Entertainments auf dem Bezahlsender Sky zu sehen. Rund 270.000 österreichische und über drei Millionen deutsche Abonnenten können die "Harald Schmidt Show" künftig drei Mal die Woche sehen. Gäste der ersten Sendung sind die Cellistin Sol Gabetta und die Pianistin Hélène Grimaud. Als Sidekick – also Stichwortgeberin – fungiert u. a. Mirjam Weichselbraun.

KURIER: Was erwartet sich Ihr neuer Arbeitgeber von Ihnen?
Harald Schmidt: Die wollen von mir die Late-Night-Show, wie man sie seit vielen Jahren kennt. Ich werde ja auch dauernd gefragt, was am Format neu wird. Nix! Es bleibt alles, wie es ist, weil es ist doch so schön. Die Leute mögen’s doch so! (lacht)

Sollen Sie Seher bringen? Oder Sind Sie so was wie eine schöne Statue, die auf dem Kaminsims steht?
Die Erwartung ist, dass ich eine gute Show abliefere, die für den Sender insgesamt ein gutes Aushängeschild ist. Wenn es in den finanziellen Rahmen passt. Das wird offen so gesagt, und das versteh ich auch total. Ich habe die letzten 20 Jahre ja nicht im Dschungel ohne Zeitungen verbracht. Es ist klar, dass ein privatfinanzierter Pay-TV-Sender Geld verdienen möchte. Und dazu soll meine Show beitragen.

Sie haben Verständnis für die finanziellen Rahmenbedingungen Ihres Schaffens?
Ja, selbstverständlich. Ich wundere mich immer über Kollegen, die viel Geld verdienen wollen, und wenn der Kapitalismus dann mal von der anderen Seite winkt, fühlen sie sich unmenschlich behandelt. Das weiß doch jeder, welchen Beruf er ergreift. Und das Gefeuertwerden ist ein Teil des Berufsrisikos für einen Fernsehschaffenden. Ich hab mich da noch nie beklagt.

Im deutschen Feuilleton wird ihnen vorgeworfen, dass Sie unzeitgemäß seien, weil Sie keine Haltung vertreten. Der Wutbürger von heute könne nichts mehr mit Ihnen anfangen. Was halten Sie von dem Argument?
Nichts. Ich bin ein großer Verfechter der Meinungsfreiheit. Ich lebe ja davon. Niemand lebt so komfortabel davon wie ich. Und wenn man das findet und schreibt, bitteschön. Ich kann ja gar nicht auf alles reagieren, was geschrieben wird. Ich nehme alles sehr interessiert zur Kenntnis, und sage: Ah ja, jetzt ist es das.

Hat das Publikum sich tatsächlich geändert?
Ja. Man ist jetzt Wutbürger, aber natürlich nur auf Lohnsteuerkarte und mit Urlaubsansprüchen. Und wenn man das Ganze so ein bisschen ironischer sieht, dann passt das nicht so ganz in den Zeigeist. Aber danach habe ich mich ja noch nie gerichtet. Meine Haltung, was die mediale Panik angeht, ist unverändert geblieben: Morgen läuft ne andere Sau durchs Dorf. Wir haben heute auf den Titelseiten das Thema Polkappen-Schmelzen. Das habe ich, seit ich Kabarett mache, schon vier Mal im Programm gehabt. Dazwischen war das Waldsterben, Aids, Gammelfleisch, BSE-Skandal, Atomenergie. Wenn Sie das eine Weile beobachten, sagen Sie: Es gibt eine große Industrie, die von diesen Meldungen lebt. Das Internet hat das noch verstärkt. Ich bin aber nicht verpflichtet, gleich meinen Cappuccino zu verschütten, nur weil so was in der Zeitung steht.

Von neuen Medien halten Sie bekanntlich nicht so viel. Nur mit Twitter hatten sie sich zwischenzeitlich ein bisschen angefreundet ...
Ich hab’s dann gleich wieder weggeschmissen. Es ist total lächerlich. Das war so ein Versuch: Guckt mal Kinder, wie neugierig ich bin. Einen Scheißdreck interessiert’s mich. Ich habe ein Telefon, das reicht. Und ich habe natürlich jede Menge digitale Sklaven, die alle Frisuren haben, wie man sie in Österreich aus der Zeit kurz nach dem Anschluss kennt – das ist jetzt hip –, und die können das alles. Ich bin auf dem Stand Brieftaube, und mit dem Rest können sich irgendwelche jungen dynamischen Mitarbeiter abstrampeln.

Das Internet wäre für Sie kein Forum?
Facebook ist für mich zum Beispiel total hirnrissig, weil ich davon lebe, dass Informationen, die ich rausgebe, bezahlt werden. Also wieso sollte ich umsonst ins Netz stellen, wie ich in eine Kartoffelsuppe falle? Wenn ich das am Abend von Abonnenten bezahlt kriege.

In Österreich hat Ihre Sendung in den letzten Monaten auf Sat.1 eine bemerkenswerte Quotenentwicklung hingelegt. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Österreich ist eine Kulturnation, deswegen kapieren die meine Sendungen. Sie wissen, dass ich in der Tradition von Thomas Bernhard stehe, das spürt das österreichische Kulturestablishment. Ich bin ein großer Österreich-Fan, habe aber ein totales Klischeebild, das ich mir auch nicht kaputt machen will. Für mich ist Österreich immer noch Küss die Hand, Hans Moser, Arthur Schnitzler, natürlich mein lieber Freund Andre Heller, das Burgtheater, die Salzburger Festspiele ... jessas, i wear narrisch.

Beobachten Sie österreichische Entwicklungen?
Eigentlich nur das Leben der Familie Swarovski-Grasser. Mehr möchte ich auch gar nicht. Ich habe Angst, dass zu negative Meldungen an mich herandringen.

Zur Person: Ein Fernsehphänomen

Harald Schmidt, geboren 1957, studierte Schauspiel und begann als Kabarettist. Seine TV-Laufbahn begann mit "Maz ab!" (ab 1989 in der ARD). 1995 startet die "Harald Schmidt Show" auf Sat.1. 2004 heuerte Schmidt wieder bei der ARD an. Erst solo unter dem Titel "Harald Schmidt", dann gemeinsam mit Oliver Pocher.

Im Herbst 2011 kehrte Harald Schmidt zu Sat.1 zurück – seine Showwurde aber nach wenigen Monaten wegen schlechter Quoten abgesetzt. Schmidts letzte

Sat.1-Sendung im Mai erreichte in Deutschland nur 660.000 Zuschauer (siehe Zahlen rechts).

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