Schauspielerin Valerie Huber: „Wir benötigen einen radikalen Wandel“

© APA/HELMUT FOHRINGER
Wiener Schauspielerin sieht sich auch als Aktivistin und behandelt in ihrem Buch „FOMO Sapiens“ „34 Fragen, die mich nachts wachhalten“ .
„Durch ein schön verpacktes buntes Buch, das leicht lesbar sein soll, möchte ich junge Leute für politische Themen aufrütteln, an die viele vielleicht einfach nicht denken, weil wir alle unsere eigenen Probleme haben.“ Wenn Valerie Huber so spricht, klingt sie mehr nach Influencerin als nach Sachbuchautorin. Das ist auch der Ironie geschuldet. Als Schauspielerin beherrscht sie den Wechsel im Tonfall. Und wenn sie in Fahrt gerät, klingt sie wie eine Politikerin.
Kommende Woche erscheint ihr Buch „FOMO Sapiens“, eine Anspielung auf das Akronym der „Fear of missing out“, der unter Jugendlichen verbreiteten Angst, etwas zu verpassen. Die Jugend, der die 29-jährige Wienerin allmählich entwächst, ist ihre Zielgruppe. „Im Fokus stand ganz klar der Appell an die junge Generation, die eines Tages aufräumen muss, jetzt genau hinzuschauen, und dieser Konsumblase, in der wir gefangen sind, zu entkommen. Es ist mein Anliegen, die junge Generation wachzurütteln und wieder mehr für Politik zu begeistern. Wir sind sehr unpolitisch geworden. Es ist Zeit, dass wir uns wieder dafür interessieren und in Aktion treten.“
„Schwere Kost häppchenweise verabreichen“
„Verpassen wir die heile Welt? 34 Fragen, die mich nachts wachhalten“, lautet der Untertitel des über 300-seitigen Buches, und diese Fragen haben es tatsächlich in sich. „Muss unsere Wirtschaft reformiert werden?“, „Wie gefährlich ist Social Media wirklich?“, „Welche Auswirkungen hat mein Konsum?“, „Wovor haben wir soviel Angst?“ oder „Was ist wirklich wichtig?“
Diese Fragen klingen deutlich naiver als die ernsthaften Antworten, in denen sich Valerie Huber kapitelweise mit den Krisen unserer Zeit auseinandersetzt.„Es ist leicht aufbereitet und für jede und jeden lesbar“, erklärt sie im Gespräch mit der APA ihr Konzept. „Ich hab mich ein bisschen an dem Instagram-System orientiert und gehe absichtlich bei den meisten Themen nicht so in die Tiefe, weil die Aufmerksamkeitsspanne ja bekanntlich heute nicht mehr so groß ist. Insofern versuche ich, schwere Kost häppchenweise zu verabreichen.“
In seiner Gesamtheit kann das von Valerie Huber Verabreichte einem ganz schön schwer im Magen liegen. Sie lässt kaum eine Problemzone unbesucht, von Wegwerftextilien bis zum übermäßigen Fleischkonsum, von der Geschlechterdiskriminierung bis zur Entsolidarisierung. Huber hat sich auch in Fragen, in denen sie bisher nicht so firm war, wie bei Landwirtschaft oder Mobilität, eingelesen und mit Zahlen gewappnet. In der Klimakrise sei es fünf vor Zwölf, doch statt auf die Barrikaden zu steigen, hocke die Jugend vor ihren Smartphones und bediene ihre Social Media Feeds, lautet ihr verzweifelter Befund.
„Tragen historische Verantwortung, wenn wir jetzt nichts tun“
„Es ist für mich unvorstellbar, dass wir 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder eine rechtspopulistische Partei an der Spitze unseres Landes haben. Ebenso ist es vollkommen absurd, was in den USA gerade passiert: Wir erleben den Aufschwung einer Oligarchie, in dem die reichsten Männer der Welt unsere Erde uneingeschränkt als Spielwiese für ihren Profit kaputt machen und nebenbei noch mit einem Hitlergruß davonkommen - das ist krank“, sagt die Schauspielerin, die sich auch als Aktivistin begreift. „Es raubt mir viel Hoffnung, dass wir in einer Zeit, in der wir den absoluten Fokus auf die Bekämpfung der Klimakrise legen müssten, einen globalen Rechtsruck erleben, der genau in die entgegengesetzte Richtung läuft. Das werden wir Jungen alles ausbaden müssen. Wir tragen eine historische Verantwortung, wenn wir jetzt nichts tun.“
„Es wird ein Kampf!“
Heute ist sie überzeugt: „Wir benötigen einen radikalen Wandel, um in der Zukunft noch irgendeine Chance zu haben. Das bedeutet eine 180-Grad-Wende im System, in der Wirtschaft, in der Mobilität. Wir können nur Lösungen schaffen, wenn wir radikal denken, out of the Box! Wir müssen weniger CO2 in die Atmosphäre pumpen und brauchen dringend 'Degrowth' - wir können nicht ewig expandieren und ausbeuten, es gibt planetare Grenzen, die ausgereizt sind! Unser System ist nicht von Gott gegeben - und muss geändert werden. Wir müssen anfangen, für Dinge zu kämpfen, die uns wichtig sind. Ich sage bewusst kämpfen, denn es wird ein Kampf!“
Dass diese Töne ihr im Beruf schaden könnten, ist Valerie Huber bewusst. Deswegen hat sie zwar im vergangenen Jahr eine Initiative gestartet, bei der Künstlerinnen und Künstler mehr Engagement für den Klimaschutz forderten und von Vizekanzler Werner Kogler und Umweltministerin Leonore Gewessler empfangen wurden, ihre sonstigen politischen Ambitionen aber eingebremst. „Natürlich ist da auch die Frage: Bin ich dann noch besetzbar als Schauspielerin, wenn ich vom breiten Publikum kategorisiert werde? Es ist vermutlich schon jetzt nicht mehr so leicht, wenn man kein unbeschriebenes Blatt mehr ist.“
Krimiserie „Weiss und Morales“ abgedreht
Valerie Huber hat in zahlreichen Fernsehserien ebenso mitgespielt wie etwa im Kinofilm „Klammer - Chasing the Line“, wo sie die Freundin und spätere Ehefrau des Skirennläufers Franz Klammer verkörperte. Im vergangenen Jahr hat sie in Spanien die ZDF-Koproduktion „Weiss und Morales“ gedreht, eine auf Gran Canaria spielende Krimiserie. „Es war eine tolle Herausforderung, auf Spanisch zu arbeiten, aber auch viel Fliegerei.“ Und damit auch viel schlechtes Gewissen. Denn Green Filming setze sich zwar immer mehr durch, doch CO2-Neutralität sei alleine durch die vielen Reisekilometer nur schwer zu schaffen.
Ein ähnlicher Widerspruch zieht sich auch durch Hubers Buch. Einerseits fordert sie aktiven Widerstand gegen viele Entwicklungen, andererseits propagiert sie eine Rückbesinnung auf die wahren Werte des Lebens, hält Abschalten und Relaxen für unbedingt notwendig. Sie selbst ist auf Instagram aktiv, fordert aber dazu auf, die Smartphones wegzulegen und mehr in die Natur zu gehen und Ruhe zu suchen.
„Brauchen den Fight Mode und den Flight Mode“
Kann so der Kampf gewonnen werden? „Ich versteh den Punkt, glaube aber, dass wir eine Mischung brauchen, eine Balance. Wir brauchen den Fight Mode, in dem wir uns demonstrieren und uns engagieren, aber auch den Flight Mode, in dem wir abschalten und uns um uns selbst kümmern. Es ist wichtig, daraus Kraft zu schöpfen, weil man sonst durchdreht. Dieses ganze Engagement ist ja wahnsinnig frustrierend, weil man sich keinen Millimeter nach vorne bewegt.“Fühlt sich Valerie Huber mit ihren Gedanken als Einzelkämpferin? „Nein“, antwortet sie. „Meine Bubble denkt ähnlich. Aber ich merke immer wieder, wie klein meine Bubble ist.“
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)
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