Schauspieler Michael Dangl plädiert für extremes Empfinden

Schauspieler Michael Dangl plädiert für extremes Empfinden
Sein Roman „Im Rausch“ will die Jugend zu mehr Theatralik im Leben animieren.

Schauspieler Michael Dangl, dessen künstlerische Heimat das Theater in der Josefstadt ist, hat „Im Rausch“ geschrieben. Einen Roman über  den Start ins (Schauspieler-)Leben. Er mag an die Bücher   Joachim Meyerhoffs erinnern und hat ebenfalls Humor. Aber „Im Rausch“ ist  ernst zu  nehmender und wiegt schwerer.

KURIER: Sie hätten doch – wie der Kollege – so tun können, als wäre „Im Rausch“ autobiografisch. Warum haben Sie sich dagegen entschieden?
Michael Dangl:  Weil mich der literarische Vorgang interessiert. Zuerst war da der Wunsch – der Drang, ein längeres Stück Prosa zu schreiben. Auf der Suche nach dem Stoff bin ich draufgekommen, dass mich im Moment keine Geschichte so fesselt wie meine eigene. Also habe ich diese Reise rund 30 Jahre zurück unternommen.

Dann ist der Roman ja doch Autobiografie!
 Ich  füge hinzu, lasse weg, behandle Erlebtes als Romanstoff ... und komme erst im Schreiben drauf, wie sehr es Romanstoff war!  Die Wirklichkeit ohne Verfremdung fände ich langweilig. Auch die Gegenwart ist ja unerträglich ohne die Vorstellung, dass sie Teil eines höheren Ganzen ist. Oder wie es Nietzsche sagte: „Wir haben die Kunst, um an der Wahrheit nicht zugrunde zu gehen.“

Zitat: „Ich bin die Primaballerina meines inneren Staatsballets und der Protagonist in meinen persönlichen Königsdramen.“ Trifft das auf Schauspieler besonders zu? Oder auf alle jungen Leute?
Jeder Schauspieler muss sich im Moment des Auftritts für das Zentrum der Welt halten. Und junge Leute müssen selbstbesessen sein, das ist das Vorrecht der Jugend. Und unsere kapitalistische Gesellschaft zwingt zu einem unmenschlichen, skrupellosen Egoismus. Aber all das ist nicht, was die von Ihnen zitierte Passage meint.

Das Leben selbst soll ein Rausch sein?
Ich meine die Fähigkeit – manchmal den Fluch –, sich selbst und die Welt zu „romantisieren“ im Sinn von Novalis: poetisch zu empfinden, traumhaft, theatralisch, rauschhaft. Diese Lust vermisse ich oft in meinem Umfeld, wiewohl ich die Sehnsucht spüre. Extrem zu denken, zu empfinden, Grenzen zu überschreiten, der Vernunft ins Gesicht zu lachen, Fehler zu machen, haltlos zu sein, zu fallen – und aufzufangen. Dafür ist mein Buch ein Plädoyer.  Seid „rauschig“ auf diese Art – aber reduziert euch nicht aufs Komasaufen.

Ist der Rausch auf der Bühne so anders?
Den „Rausch des Spielens“ hat am besten Diderot  beschrieben. Größte Hingabe gepaart mit totaler Kontrolle. Der hitzigste Spieler ist seinem Wesen nach kalt.
Und das Schreiben:  Noch ein Rausch?
Schreiben ist  die „reinste“ Handlung. Ich brauche Tage des Alleinseins und Schweigens, der völligen „Reinigung“, ehe an Schreiben im ernst zu nehmenden Sinn gedacht werden kann. Wenn es dann geschieht, bricht es über mich herein und ist wieder eine Art Rausch. Einen großen Teil dieses Buches habe ich ja zehn, zwölf Stunden am Tag schreibend aus meinen inneren Bergwerk hinausgefördert. Eine große Lust! Ein paar Wochen und Monate war ich wieder Anfang 20. In meinem wilden, uferlosen Jungsein. Am liebsten hätte ich dem Buch den Untertitel gegeben: „Ein Leitfaden für die Jugend“.

Warum haben Sie es nicht getan?
Ich mag keine Leitfäden, alles Didaktische ist mir ein Gräuel.

 

Michael Dangl: „Im Rausch
Braumüller
Verlag.
256 Seiten.
24 Euro.

KURIER-Wertung: ****

Kommentare