Ist das typisch für Schauspieler, dass man sich vor Premieren fürchtet, krank zu werden?
Ich glaube schon. Es ist ein Ausdruck dafür, dass man – toi, toi, toi (klopft auf Holz) – völlig gesund ist, aber Angst hat, krank zu werden.
Wie verlaufen die Proben denn?
Es ist wunderbar, ein Stück zu entdecken, das noch nie aufgeführt wurde, noch dazu ein so aktuelles, das so nah an unserem Leben dran ist. Daniel Glattauer schreibt glänzende Figuren und glänzende Situationen. Es hat eine tolle Sprache, die ziemlich schwer zu lernen ist.
Inwiefern?
Meine Figur, der Dr. Cerny, ein Bankdirektor, ist jemand, der sich mehr als Mann der Künste als des Finanzwesens sieht, ein schöngeistiger Mensch, der Gedichte schreibt, der von Zahlen wenig wissen will. Er verwendet manchmal Sprachbilder, die schön klingen, aber oft nicht genau stimmen. Und diese sehr komischen Verästelungen in den langen Sätzen zu lernen, das ist nicht leicht.
Das Thema Bankenskandale ist gerade sehr aktuell.
Ja, unfassbar. Ich habe mich zuletzt sehr mit dem Thema Bankenwelt beschäftigt ... Wir spielen eine Satire. Ich weiß aber gar nicht so genau, ob wir es nicht vielleicht nur deshalb als Überhöhung empfinden, weil wir zuwenig wissen (lacht). Dass da kein größerer Aufschrei passiert, verstehe ich nicht. Nach dem großen Knall 2008 hat es geheißen, ihr müsst auf eure Zinsen verzichten und die Banken retten. Jetzt lese ich, den Banken geht es hervorragend!
Finanzminister Blümel hat gemeint, die Menschen müssten lernen, mit moderneren Anlageformen umzugehen. Kennen Sie sich mit Fonds und Aktien aus?
Ich hätte keine Freude am Spekulieren, ich möchte auch nicht jeden Morgen als erstes die Börsenkurse im Handy kontrollieren. Meine Welt ist nicht die der Zahlen, sondern die der Worte, der Töne, der Klänge und der Fantasie.
Wie ging es Ihnen im Lockdown, konnten Sie die Zeit nützen?
Wir sind im März noch bis zur öffentlichen Generalprobe der Stefan-Zweig-Dramatisierung an der Josefstadt gekommen. Und direkt danach war alles zu Ende. Da fällt man ins Bodenlose. Du realisierst es auch nicht sofort. Wir haben gedacht, das wird nicht lange dauern. Bei mir kam noch die private Situation hinzu, dass ich nicht nur von meinem Arbeitsplatz getrennt war, sondern auch von meiner Familie. Meine Familie lebt in St. Petersburg, meine Frau ist Musikerin und spielt am Mariinsky-Theater, und unsere Tochter, die jetzt zehn ist, lebt bei ihr. Ich hätte so viel Zeit wie noch nie für meine Familie gehabt – wir konnten jedoch nicht zueinander.
Und dann haben Sie ein Buch geschrieben.
Ich habe mich hingesetzt und begonnen, meiner Tochter einen Brief zu schreiben, der länger und länger geworden ist und aus dem jetzt ein Buch wurde („Anfisa, zu Dir – Brief an meine Tochter“; Amalthea).
Können Sie gut mit sich selbst alleine sein?
Ich habe viel Erfahrung damit, berufsbedingt und durch meine Familiensituation. Aber ich bin schon lieber alleine, wenn ich es mir ausgesucht habe! Diese Wochen im Lockdown waren nicht schön. Ich wusste, ich muss mich beschäftigen, mich bewegen, Sport betreiben, meine Ernährung ändern – denn mir fehlten ja die Auftritte und Proben. Und im Juni und Juli hatte ich dann zum Glück, wieder etwas zu tun, Konzerte, Lesungen. Ich habe in München im Gärtnerplatz-Theater mit Konstantin Wecker unser Konzert gespielt. Corona-tauglich, mit Abstand auf der Bühne.
Was sagt Ihre Tochter zu dem Buch?
Die war immer ein bisschen beteiligt am Schreibprozess, und Zeichnungen und Gedichte von ihr sind drin. Als wir uns dann Ende August endlich wieder gesehen haben, habe ich ihr daraus vorgelesen und sie findet es super!
Es ist ihr nicht peinlich? Kindern ist ja oft etwas peinlich ...
Nein, ich habe natürlich sie und meine Frau gefragt, weil viel Privates vorkommt, aber beide haben keine Bedenken. Ich hoffe, dass die Gefühle, die darin beschrieben werden, die Menschen an ihre jeweilige Situation erinnert. Genau genommen ist es eine Beschäftigung mit dem Thema Kindsein.
Jetzt haben Sie zwei große Premieren in kürzester Zeit.
Ja, am 24. September kommt „Die Liebe Geld“ in den Kammerspielen und eine Woche später ist die Zweig-Uraufführung, die schon im März hätte stattfinden sollen.
Ist das schwierig für Sie?
Am Tag nach der Premiere haben wir die erste Wiederaufnahmeprobe, dann noch ein paar Tage proben – und es muss gehen. Es war ja fast fertig. Uns geht es darum, dass wir endlich wieder spielen dürfen! Ich kann nur auf alle Hölzer klopfen, dass es so bleibt.
Kommentare