Helmuth Lohner 82-jährig verstorben

Der große österreichische Schauspieler und Theaterregisseur starb im Alter von 82 Jahren.

Der Wiener Schauspieler, Regisseur und Theaterleiter Helmuth Lohner ist in der vergangenen Nacht im Alter von 82 Jahren gestorben. Das bestätigte das Wiener Theater in der Josefstadt, dessen künstlerischer Direktor Lohner 1997 bis 2006 war, am Dienstagvormittag.

Helmuth Lohner hätte im Dezember in der Regie von Herbert Föttinger und in einer Fassung von Peter Turrini den "Anatol" an der Josefstadt spielen sollen. Seine letzte Inszenierung war "Schon wieder Sonntag" mit Otto Schenk und Harald Serafin in den Kammerspielen der Josefstadt.

Lesen hier Sie den ausführlichen Nachruf des KURIER.

Charakterdarsteller

Helmuth Lohner, der am 24. April 1933 in Wien geboren wurde, war ein leiser, nachdenklicher, zurückhaltender Mensch, als Schauspieler von klassischer Sprechkultur trifft auf ihn wohl wie für wenige andere die Bezeichnung Charakterdarsteller zu. Er war in allen Genres zu Hause und hat fast alles dargestellt, was einen Schauspieler reizen kann: Shakespeares abgründig-bösen Richard, den zwiespältigen Dänenprinzen Hamlet, den Titus Feuerfuchs in Nestroys "Talisman", den Faust ebenso wie den Mephisto. Er hat die vielfältigen Facetten von Schnitzler-, Tschechow- und Horvath-Figuren transparent gemacht und in komischen Rollen die Lachmuskeln der Zuschauer strapaziert. "Wenn man ihn auf ein Genre einengen will, wird man ihm nicht gerecht", meinte sein Lebensfreund Otto Schenk, künstlerischer Partner in mehr als 20 Produktionen allein an der Josefstadt, tief betroffen in einer ersten Reaktion gegenüber der APA.

Neben seinem Stammhaus, der Josefstadt, spielte er an zahlreichen großen Bühnen des deutschsprachigen Raums, darunter auch am Wiener Burgtheater und bei den Salzburger Festspielen, wo er u.a. insgesamt zehn Jahre (darunter fünf Sommer in der Titelrolle) in Hofmannsthals "Jedermann" auf der Bühne am Domplatz stand. Zu seinen Auszeichnungen zählen die Kainz-Medaille (1980), der Titel Österreichischer Kammerschauspieler (1993) und die Ehrenmitgliedschaft der Josefstadt (2003).

Josefstadt-Direktor

Doch Lohner war dem Theater auch als Regisseur und als Direktor verbunden. Er inszenierte Opern und Operetten und ließ sich gleich zweimal dazu überreden, das Haus zu leiten, dem er am meisten von allen Bühnen verbunden war - nicht nur weil "der erste feste Vertrag, den ich in meinem Leben unterschrieben habe, der Direktionsvertrag mit dem Theater in der Josefstadt war". "Man geht mit riesigen Ambitionen hinein und muss Stück um Stück Federn lassen. Die Realität wird immer härter und man kommt in eine Verzweiflung", resümierte Lohner einmal im APA-Interview seine Direktionserfahrungen. "Diese Jahre gehören zu meinem Leben wie alles andere auch. Nie im Leben würde ich mich davon distanzieren wollen. Und ich habe bezahlt, weil ich dafür als Schauspieler auf vieles verzichten musste."

1997 wurde er Direktor des Theaters in der Josefstadt. Bereits zum Ende seiner ersten Direktionszeit hatte er 2003 mit Molières "Menschenfeind" seinen Bühnen-Abschied gefeiert, sich aber ebenso zum Comeback überreden lassen wie zu seiner Rückkehr als künstlerischer Leiter nach einer einzigen Saison von Hans Gratzer. Nach zwei Saisonen übergab Helmuth Lohner Mitte 2006 die Theaterleitung an Herbert Föttinger und war seither vorwiegend als freier Regisseur tätig.

"Unersetzbarer Verlust für die Josefstadt"

Der Tod Helmuth Lohners bedeute "einen unersetzbaren Verlust für die Josefstadt, für das deutschsprachige Theater und großen Schmerz für alle, die ihn kennen und ihm nahestanden", hieß es heute in einer ersten Reaktion des Theaters in der Josefstadt.

"Helmuth Lohner war ein hinreißender Darsteller feinnerviger Charaktere, ein Sprachkünstler, dessen schauspielerische Präzision, Phantasie und Hingebungskraft bewundert wurde", erklärte Direktor Herbert Föttinger via Aussendung. "Abseits der Bühne war er ein bescheidener Mensch von feiner Gesinnung, der auch als Direktor der Josefstadt für Toleranz, Mitmenschlichkeit und Güte stand."

Von "überaus großer Trauer in der gesamten österreichischen Kulturszene" spricht Bundespräsident Heinz Fischer. "Als hinreißender Schauspieler, als Regisseur, als Theaterdirektor und als Mensch der Kultur hat Helmut Lohner in Österreich viele Menschen begeistert und dem kulturellen Leben starke positive Impulse gegeben. Darüber hinaus war er ein besonders liebenswürdiger Mensch", sagte Fischer, der auch gegenüber der Witwe Helmuth Lohners, Elisabeth Gürtler, die als Generaldirektorin der Spanischen Hofreitschule derzeit besonderen beruflichen Anforderungen ausgesetzt sei, persönlich seine tiefempfundene Anteilnahme zum Ausdruck brachte.

Wenn jemand stirbt, waren plötzlich so viele Menschen zeitlebens befreundet mit ihm. Zählten zum engsten Kreis. Und wussten immer schon, um welch ein Genie es sich gehandelt habe.

Ich war mit Helmut Lohner nicht befreundet. Und habe ihn auch nicht jede Woche getroffen. Wann immer ich ihn aber sehen und sprechen durfte, hatten wir eine wunderbare Konversation. Zumeist über die Oper, die er genauso liebte wie das Schauspiel (weil ja die wirklich guten Schauspieler immer auch musikalische Menschen sind). Er konnte lange über Inszenierungen erzählen (gleichermaßen schimpfen und leidenschaftlich loben). Über jene seiner Kollege und solche, die er selbst verantwortet hatte. Er konnte von Sängern schwärmen. Von Dirigenten. Vor allem von fabelhaften Werken. Und er war keiner, der überzeugt davon war, dass früher alles besser gewesen sei.

Helmuth Lohner war ein brillanter Kopf, ein analytischer Mensch – und ein sehr feiner, lieber, kultivierter.

Einmal sagte er: „Der Unterschied zwischen einem Theater und einem Irrenhaus besteht darin, dass im Irrenhaus der Direktor normal ist.“ Wenn das stimmt, hat Lohner ein Irrenhaus geleitet.

Wer das Glück hatte, Helmuth Lohner auf der Bühne oder im Film erleben zu dürfen, also in Ausübung seiner Hauptprofession (sofern es so etwas bei einem großen Künstler überhaupt gibt), sah einen der intensivsten Menschengestalter, einen Porträtisten, einen Maler, dessen Pinsel die Sprache war, dessen Farbe die Geste. Einen Vertreter der Alten Meister. Und dennoch war er nie museal, sondern stets vorwärts gewandt. Ihn auf eine beste Rolle einschränken zu wollen, wäre nicht zulässig. Lohner war ein Gesamtkünstler.

Seit langem wusste man, dass es gesundheitlich nicht gut um ihn stand, aber er verfolgte das Kulturgeschehen, ohne das er nicht leben konnte, bis zuletzt.

Jetzt muss die Kunst ohne ihn weiterleben, er wird schrecklich fehlen. Als Gestalter, als Beobachter, als Kommentator. Adieu.

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