Schanghai 1920 ist wie Chicago 1930

Clementine Skorpil studierte Chinesisch
Guter Mohn, du schenkst mir Träume: Der zweite Krimi von Clementine Skorpil.

Es musste noch etwas kommen über Schanghai Mitte der 1920er-Jahre, als es dort brodelte wie zehn Jahre später in Chicago – und als Mao noch eine Nebenrolle spielte und lächerliche Gedichte über den Traktor schrieb: "Der Bauer klettert auf den Sitz und startet ..."

Die Kurtisane Pflaumenblüte und ihre Oma Ai Ping, die ihre Enkelin zurück ins Dorf nehmen will, und der Pate von Schanghai, Herr Großohr Du ... die kann man doch nicht nach bloß einem Roman sterben lassen (sozusagen)!

"Gefallene Blüten" war großartig. Großartig! Eine Entdeckung, 2013 im Hamburger Argumente Verlag erschienen. Man konnte glauben, die Autorin sei in den Hütten gewesen, wo Mütter der Prostitution nachgingen, aber sich trotzdem für ihre sechs, sieben Kinder nur ein einziges Paar Stäbchen für die Reiskörner leisten konnten.

Das Massaker

Die Autorin: Eine gebürtige Grazerin ist Clementine Skorpil, in Wien hat sie Geschichte und Sinologie studiert. In Taiwan studierte sie Chinesisch. Mit ihrer Familie lebt sie in Neulengbach, NÖ.

Clementine Skorpil ist entfernt mit Adalbert Stifter verwandt.

"Guter Mohn, du schenkst mir Träume" spielt ein Jahr nach dem ersten Buch, 1927, und hat das historische Massaker im Zentrum.

Chiang Kai-shek von der Kuomintang-Partei hatte sich von Stalin weggedreht und sich mit Unternehmern sowie der Mafia zusammengetan. Als der Reis teurer und teurer wurde, streikten in Schanghai Hunderttausende Arbeiter. Chiang Kai-shek bewaffnete Verbrecher und ließ sie wüten, um Kommunisten und Gewerkschafter zu entmachten.

Darüber hat Clementine Skorpil einiges zu sagen; und über die Grüne Bande, deren Boss gleichzeitig Polizeichef war; und übers Opium, das die Briten ins Land brachten.

Aber es ist auch ein Krimi – Buben werden umgebracht. Taschendiebe, Bettler. Ein 16-Jähriger ist die Hauptfigur, er lernt schreiben, er lernt lesen, er wird lieben, er wird Kommunist.

Gewaltig. Hier die Balance zu halten, ist schwierig.

Es ist auch gar nicht einfach, inmitten der Chinesen die Übersicht zu bewahren. Aber es zahlt sich aus. Man lernt sogar, dass Qu Qiubai so auszusprechen ist: Tschü Tschiubai. Wer das sagt, sollte mit dem ausströmenden Atem ein Zündholz ausblasen können.

Clementine Skorpil:
„Guter Mohn, du schenkst mir Träume“
Löcker Verlag.
250 Seiten.
19,80 Euro.

Kommentare