Moderne Kunst, die 20.000 Jahre alt ist

© Frobenius-Institut Frankfurt am Main
Frobenius hat es geschafft, den Geist der Urgeschichte zu uns herüberwehen zu lassen

Höhlenmalerei, 20.000 Jahre alt, passt gut zu Klee, Arp, Miró. Das haben vor dem Zweiten Weltkrieg 30 Ausstellungen gezeigt, in New York, Wien, Paris ...

Obwohl damals die Kritiker entsetzt waren: Eine Frechheit sei der Vergleich mit den Primitiven.

... den Leo Frobenius möglich gemacht hatte: Er hat es geschafft, den Geist der Urgeschichte zu uns herüberwehen zu lassen.

Dass dadurch die Avantgarde befruchtet wurde, war ihm bestimmt ziemlich egal: Moderne Malerei mochte er absolut nicht.

Frobenius war ein Berliner Forscher und Ethnologe, geboren 1873, spezialisiert auf Kunst.

"Malweiber"

Zunächst hatte er bloß beabsichtigt, in Afrika Märchen zu sammeln und auf den Dorfplätzen den Geruch von Hammelbraten einzuatmen.

Geritzte Zeichnungen, die er auf Sahara-Felsen entdeckte, bestimmten fortan sein Leben. Angeblich wurde er regelrecht "felsbildersüchtig". Leo Frobenius war der Erste, der sie dokumentierte, um den arroganten Europäern zu zeigen, was die Afrikaner so draufhatten.

Andererseits befürwortete er den Kolonialismus und schimpfte über "Nigger".

Ein seltsamer Kerl, um es freundlich auszudrücken.

Von 1913 bis 1939 nahmen an seinen 16 Expeditionen, die zuletzt auch nach Australien führten, insgesamt 20 Künstler teil. Elf Frauen und neun Männer. Frauen wurden damals an den Kunsthochschulen als "Malweiber" ausgelacht.

Moderne Kunst, die 20.000 Jahre alt ist
honorarfrei, weil buchbesprechung
Frobenius war zwar frauenfeindlich, Emanzipation verachtete er. Seine abenteuerlichen Künstlerinnen aber lobte er bei jeder Gelegenheit.

(Dieser Mann wird immer seltsamer.)

Der Fotografie stand er kritisch gegenüber: Es hatte für ihn "direkt etwas Schmerzliches, dass der eitle Glaube an die unbedingte Zuverlässigkeit exakter Photographien es viele Menschen vergessen lässt, dass z.B. eine lebendig entstehende Zeichnung für viele Fälle ,wesentlicher‘ ist als eine mechanische Photographie."

Deshalb die "lebendigen" Kopien. Kopien? Schöpferische Kopien. Sie sind alles andere als Faksimiles. Nachschöpfungen der prähistorischen Tiere, Menschen, Silhouetten von Füßen und Händen ..., demnach alles Originale.

Die Malerinnen und Maler waren in dunkle Felsspalten gekrochen, auf Strickleitern Wände hochgeklettert, sie trotzten Sand und Sturm, Flöhen und Hitze, und wenn dann noch Kraft vorhanden war, so wurden die meist schon sehr verwitterten Felsgravuren durchgepaust.

Mit Japanpapier bedeckt, mit Schusterwachs abgerieben.

Kleine Bilder waren wenig problematisch. Aber lebensgroße Giraffen! Das größte Bild in der Sammlung Frobenius misst 10 Meter x 2,5 Meter. Die Arbeit wurden zum Puzzlespiel. Von den Felsen nahm man Gesteinsproben, denn auch der Stein als Hintergrund der Bilder sollte am Papier festgehalten werden.

Höhlenmalereien zeichneten sie ab und vollendeten sie erst mit Wasserfarben, Ölfarben, mittels Blei-, Bunt- oder Kreidestiften.

Biegsame Maßstäbe wurden verwendet. Aber Artisten waren die Künstler ja alle keine, und oft musste mit Augenmaß kopiert werden.

"Stümperhaft"

So entstanden 5000 Bilder prähistorischer Kunst.

Nach dem Krieg wurde die Sammlung Frobenius, er selbst war schon tot, ignoriert – als"stümperhaft" wurde sie abgetan. Denn nun regierten exakte wissenschaftliche Techniken.

Haben die geholfen, dass man etwas SPÜRT?

Na eben. Die Wiederentdeckung war also nur eine Frage der Zeit und wird jetzt bis Mai 2016 im Berliner Gropius-Bau gefeiert.

Die deutsche Kunstgeschichte-Professorin Bärbel Küster spricht von der "magischen Brücke zur Urkunst". Man findet die Brücke auch, wenn man nur das anlässlich der Ausstellung erschienene Buch "Kunst der Vorzeit" in Händen hält.

Der Zugang zur Steinzeit ist gefunden.

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