Rettungsring als Bumerang

Rettungsring als Bumerang
Der Vorschlag eines Verkaufs der Kunstwerke der Sammlung Essl an den Staat stößt auf Skepsis.

Auf die Aufbruchsstimmung folgt Ernüchterung: Am Montag hatte bauMax-Gründer Karlheinz Essl vorgeschlagen, die Republik solle seine Kunstsammlung kaufen, damit bauMax saniert und 4000 Jobs in Österreich gerettet werden können.

Doch nach dem ersten Erstaunen überwog am Tag danach der kritische Blick: Auf die Qualität der Sammlung, auf Details des möglichen Ankaufsdeals und auf die seit Jahren vernachlässigte Sammelpolitik des Bundes.

Rettungsring als Bumerang
Arnulf Rainer, Zentralisation, 1951, Öl auf Jute, 102 x 100 cm, © Arnulf Rainer, Foto: Franz Schachinger, Wien
So rieten unter anderem Belvedere-Direktorin Agnes Husslein, Ex-mumok-Chef Edelbert Köb und die Leiterin des MdM Salzburg, Sabine Breitwieser, die Sammlung Essl genau zu evaluieren. Hintergrund sei, dass das Sammlerpaar Essl nach sehr persönlichen Gesichtspunkten gesammelt und weniger bedeutende Teile nie abgestoßen hat. So seien nur Segmente der Sammlung von nachhaltiger Bedeutung.

"Das Ensemble ist mehr als die Summe der Einzelwerke", hält Karlheinz Essl dem im KURIER-Gespräch entgegen. "Es sind viele Künstler dabei, die keinen Marktwert haben, aber für die Kunstgeschichte wichtig sind."

Dass eine Liquidation Kunstmarkt und Künstler ruinieren würde, wie Essl warnt, stellt Gabriele Senn, Präsidentin des Verbandes österreichischer Galerien moderner Kunst, in Abrede: "Die arrivierten Werke werden vom Markt absorbiert. Jene, die nicht am Markt gehandelt werden, unterliegen auch keinem Preisverfall."

Direktor Zufall

Ein Ankauf der Sammlung durch die Republik rührt aber aus einem anderen Grund an einem wunden Punkt der Museumspolitik: Seit vielen Jahren haben die Bundesmuseen keine nennenswerten Ankaufsbudgets, um aktuelle Kunst zu sammeln. "Dieses Manko kann schwerlich durch eine staatlich verordnete Sammlungserweiterung ausgeglichen werden, die sich aus unvorhersehbaren wirtschaftlichen Nöten eines privaten Unternehmens ergeben", sagt mumok-Direktorin Karola Kraus zum KURIER. "Solche Zufallsentwicklungen stehen einer kontinuierlichen Museumsarbeit entgegen."

Am 2. April – der Termin ist bisher noch unbestätigt – soll es den runden Tisch geben, an dem Kulturminister Josef Ostermayer die Essls, das Land Niederösterreich, Finanz- und Sozialministerium zusammenbringen will. Eine Kaufverpflichtung des Bundes sei "Voraussetzung dafür, dass ein runder Tisch überhaupt Sinn macht", sagte dazu ein Sprecher von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll.

Viele Detailfragen sind jedenfalls offen. Bisher besteht Essl auf die Übernahme der gesamten Sammlung und deren Erhalt im Klosterneuburger Museum. Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny kann sich im Fall einer Übernahme dagegen "mehrere Standorte" vorstellen und schlägt vor, Teile auch im Wiener Künstlerhaus zu zeigen: "Wenn Wien davon profitieren kann, wird man auch im Sinne einer Beteiligung mit uns reden können."

Der Wert der Sammlung Essl steht derzeit zur Debatte - bei den rund 7000 Werken, die das Paar Agnes und Karlheinz Essl seit den 1970er Jahren zusammengetragen hat, ist stets auch genug Material da, um der Kritik Nahrung zu geben. Zahlreiche Werke der Sammlung stechen aber unzweifelhaft aus der Masse hervor.

Es ist das schmerzlichste Resultat der Finanzkrise und der aus ihr resultierenden Mut- und Perspektivenlosigkeit: Die Staaten und ihre Bürger haben gelernt, klein beizugeben. Wir wursteln uns durch den finanziell kaum zu bewältigenden Alltag, zahlen Milliarden dafür, dass eine Pleitebank abgewickelt wird. Aber Geld in etwas zu stecken, das "nur" einen kulturellen Gewinn abwirft, das kommt nicht mehr infrage.

Auch an der Diskussion um die Sammlung Essl zeigt sich das. Man könnte ein Geschäft machen, bei dem wir am Ende sogar etwas besitzen: Nämlich einen wesentlichen Teil der eigenen Kulturgeschichte. Und da schlägt die Stunde der Zurufer, der Zauderer und Warner.

Museumsdirektoren etwa, selbst unter finanziellem Druck, geben sich gekränkt und pochen darauf, dass nur Teile der Essl-Sammlung bleibenden Wert haben (was in den Sammlungen der Bundesmuseen nicht anders ist). Der Wutbürger entdeckt den inneren Kunstkritiker und verwahrt sich dagegen, dieses "Geschmiere" zu kaufen.

Man könnte dieses Geld – es geht um 86 Millionen Euro – doch viel sinnvoller einsetzen! Aber kann man?

Im Nutzen für heute und morgen – sicher. Aber wir wollen kurz einmal, trotz Krise, an übermorgen denken. Hoffnung schöpfen, dass Österreich nicht für immer in der inneren Krise sein wird. Und sich irgendwann darüber informieren will, wie die hiesige Kunst nach 1945 so war. Wir könnten dann darüber nachdenken, was uns die eigene Geschichte eigentlich wert sein müsste.

Wer dazu zu mutlos ist, kann sich auch denken: Kaum etwas hat zuletzt so an Wert gewonnen wie Kunst. Der Ankauf könnte also auch einfach nur ein gutes Geschäft sein.

Eigentlich hatten die Geldgeber bauMax bis 2016 Zeit eingeräumt, die Wende zu schaffen. Seit einer Woche liegen den Gläubigern aber vorläufige Zahlen für 2013 vor. Diese zeigen, dass das vor Weihnachten fixierte, zweite Sanierungskonzept nicht aufgeht. Das Ziel, die Problemmärkte operativ (vor Steuern und Abschreibungen) ins Positive zu drehen, wird verfehlt. Verluste schreiben die Türkei, Rumänien, aber auch Bulgarien und Kroatien, so Insider. Gewinne macht bauMax in Österreich, Tschechien und der Slowakei. Die Frage ist nun, wie viele Verlustbringer rund um diese Kernregion verkraftbar sind.

Das nächste Treffen der Geldgeber findet Ende April statt. Dann erwarten diese Klarheit über die Zahlen 2013, den Stand bei der Investorensuche und was mit dem Verkaufserlös der Sammlung Essl geplant wäre. „Das Dringendste ist, dass kein weiteres Geld verbrannt wird“, heißt es. bauMax habe zwar die Sparziele erreicht, dafür seien die Umsätze weggebrochen. Der Rückzug aus Ländern im Osten würde Dutzende Millionen Schließungskosten verursachen. „Diese Entscheidung ist noch nicht gefallen“, sagt bauMax-Sprecherin Monika Voglgruber. Die Suche nach einem Investor sei nie ein Thema gewesen.

Dass der kolportierte Sanierungsbedarf von 200 Mio. Euro zu hoch gegriffen sei, sagen sogar Gläubiger. bauMax steht mit einer Milliarde in der Kreide, 350 Mio. Euro sind unbesicherte Betriebsmittelkredite. Betroffen sind die drei größten heimischen Banken, Auslandsinstitute und alle namhaften Kreditversicherer.


Als noch niemand vom Verkauf der Sammlung Essl sprach, prangte der Slogan schon auf der Fassade des mumok im Wiener Museumsquartier: „Museum wegen Konkurs zu verkaufen“ – im französischen Original „Musée à vendre pour cause de faillite“ – lautet der unvermutet hochaktuelle Titel der derzeitigen Hauptausstellung des Hauses (bis 18.Mai).

Auch hier spielt ein Sammler-Ehepaar eine tragende Rolle: Annick und Anton Herbert, zwei belgische Kunst-Enthusiasten mit Wurzeln in der ’68er-Bewegung, haben seit den 1970er-Jahren umfassende Kunstbestände aufgebaut. Minimal- und Konzeptkunst mitsamt ihren Vor- und Ausläufern stehen im Zentrum des Herbertschen Kunstkosmos, der verspielt-subversive Belgier Marcel Broodthaers, von dem auch das titelgebende „Konkurs“-Plakat stammt, ist eine Säule der Kollektion.

Im mumok wird die Privatsammlung äußerst ansprechend präsentiert: Im ersten Saal trifft Broodthaers’ schriftlastige Kunst auf analytische Bilder von Gerhard Richter – gekauft, als dieser noch nicht der teuerste lebende Künstler der Welt war. Aus dem Besitz des Sammlerehepaars Dieter und Gertraud Bogner, die ihre Bestände dem mumok als Dauerleihgabe überließen, kommt in dem Saal eine Hocker-Installation (Sind es Hocker? Ist es Kunst?) von Heimo Zobernig hinzu.

Kuratiert

Kunst, die ebenso lustvoll wie insistierend Fragen aufwirft, zeichnet die Sammlung Herbert aus. Im mumok wird sie allerdings nicht einfach ausgebreitet: Kuratorin Eva-Badura Triska hat ausgewählte Werke gemeinsam mit Beständen der mumok-Sammlung zu übersichtlichen, kleinen Ensembles komponiert. Nach Zusammenstellungen von Minimalisten wie Carl Andre und Donald Judd kommt es im Obergeschoß zum vergleichsweise opulenten Treff der Enfants terribles Martin Kippenberger und Mike Kelley mit dem humorgetränkten Werk von John Baldessari.
Die mumok-Schau ist das vorerst letzte Gastspiel der Herbert-Sammlung: Künftig wird die Sammlung nur mehr in einem Museumsgebäude zu sehen sein, den die Herbert-Stiftung im belgischen Gent betreibt. Vorerst übrigens ganz ohne öffentliche Gelder.

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