Krimiautor mit Vergangenheit
Der Nordire Sam Millar, 58, ist zurzeit der aufregendste Krimiautor (ja, Jo Nesbø gehört auch dazu, ja, und Nicci French ebenso).
Nach dem „Bloody Sunday“ 1972, als britische Soldaten 13 Bürgerrechtsdemonstranten erschossen hatten, wurde der jugendliche Schlachthaus-Arbeiter zum IRA-Kämpfer.
Acht Jahre saß er deshalb im Gefängnis inklusive Hungerstreik.
Danach, in den USA, war er Portier, Comics-Händler – und Kopf einer mit Gewehrattrappen ausgerüsteten Bankräuberbande.
Fünf weitere Haftjahre für Sam Millar.
Von der Acht-Millionen-Dollar-Beute blieb bis heute ein Teil verschwunden. Für die Behörden.
In seiner ersten Krimiserie wird Menschen in Belfast die Haut abgezogen, und Kondome sind vergiftet, („Die Bestien von Belfast“) bzw. werden Frauen entführt und wie Gänse gemästet („Die satten Toten“).
Mitten drinnen sitzt – ein Mensch. Privatdetektiv Karl Kane, geschieden, erwachsene Tochter, ermordete Mutter. Karl Kane schreibt Romane, aber kein Verlag will sie. Er hat selten Geld, aber oft ein Jucken im Hintern ...
KURIER: Sie lieben Comics seit Ihrem achten Lebensjahr. Können Sie uns etwas empfehlen?
Sam Millar:Fantastic Four, Heft 51 – „This Man, This Monster“. Die klassische Geschichte über Ben Grimm (= Das Ding), der in Depressionen fällt, weil er wie ein Haufen Steine aussieht. Er geht hinaus in den Regen und begegnet einem geheimnisvollen Arzt, der ihm verspricht, ihn wieder in menschliche Form zu bringen. Sehr traurig, aber erbaulich.
Helfen Ihnen die Comics, wenn Sie Ihre Krimis schreiben?
Mein Vater war Matrose der Handelsmarine. Wenn er von seinen Reisen nach New York heimkam, hatte er immer einen Koffer voll amerikanischer Comics für mich. Ich habe als Jugendlicher nicht viel Bildung bekommen, aber ich lernte von den Comics, wie man eine Geschichte erzählt. Vor allem, wie man Cliffhanger baut, damit man aufs nächste Heft gespannt ist. Ich versuche, kurze, beißende Kapitel zu schreiben – mit kleinen Cliffhanger, in der Hoffnung, dass so meine Leser interessiert bleiben.
In Belfast ist man angeblich nicht so glücklich, dass die Stadt in Ihren Geschichten von Bestien bevölkert wird. Stört Sie das denn gar nicht?
Nein. Ich verstehe, dass die Leute in meiner Stadt Belfast im schönen Licht sehen wollen. Aber als Schriftsteller habe ich so zu schreiben, wie ich die Dinge sehe. Beim nordirischen Tourismusverband habe ich nicht viele Fans. Nicht alles in Belfast ist dunkel und mörderisch, das stimmt schon. Aber ich möchte die Schattenseiten zeigen.
Ich frage Sie nichts über Ihre Vergangenheit. Nur: Ist das Gefühl, dass Sie früher nicht allzu viel Gutes erlebt haben, mit ein Grund, weshalb Ihre Bücher derart böse sind?
Ja, ich verwende meinen eigenen Hintergrund und bringe ihn in meine Geschichten ein. Vieles stammt aus meiner eigenen Erfahrung. Jeder, der meine Memoiren „On The Brinks“ (leider noch nicht übersetzt) gelesen hat, der wird mich völlig verstehen. Hoffe ich.
Und die Hämorrhoiden Ihres Helden? Warum ausgerechnet Hämorrhoiden? Die jucken ihn zu den ungünstigsten Zeitpunkten!
Unglücklicherweise verfolgen sie Karl Kane, wo immer er hingeht. Er soll eine ganz normale Person sein, mit Warzen und Hämorrhoiden. Dankenswerterweise habe ich selbst damit keine Erfahrungen.
Geben Sie uns bitte noch drei Empfehlungen, damit man Sie noch ein bisschen kennenlernt. Ihr Lieblingsfilm?
„Die Verurteilten“ von Frank Darabont. Sie verstehen, warum.
Ihr Lieblingslied?
„Sitting on the Dock of the Bay“ von Otis Redding. („So streck ich hier meine Knochen aus, werd diese verdammte Einsamkeit einfach nicht los. Zweitausend Meilen bin ich gefahren, nur um hier am Hafen herumzulungern und aufs Wasser zu starren“)
Ihr Lieblingsbuch?
Immer Cormac McCarthys „No Country for Old Men“. Manchmal fühle ich mich so alt im eigenen Land.
KURIER-Wertung:
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