Saalfelden: Jazzfestival für Grenzgänger

Saalfelden: Jazzfestival für Grenzgänger
Aufwärmrunde am Eröffnungstag beim 32. Jazzfestival in Saalfelden: Tradition, neu bis experimentell aufgekocht.

Kommts zum Tschässs? Ja, Jazz im Pinzgau weckt viele schöne Erinnerungen. Der Taxi-Chauffeur, ein älterer Herr, am Bahnhof in Saalfelden bringt's auf den Punkt - mit ein bisschen Wehmut in der Stimme: "Am schönsten war's, als sie damals im Zelt gespielt haben." Recht hat er, und recht gibt ihm jeder, der's erlebt hat.

Viele kommen deshalb jetzt nicht mehr, weil die Musi seit 2006 auf der Hauptbühne in der total Charme-freien Congress Mehrzweckhalle spielt. Der Saal für ohnedies nur 1000 Besucher war Freitag Abend voll. "Trotz des doch ziemlich durchwachsenen Programms", sagte kritisch ein langjähriger Besucher.

Tatsächlich hatte man den Eindruck, als brauchte man diesmal einen ganzen Abend, um halbwegs auf Betriebstemperatur zu kommen. Das Eröffnungskonzert mit der traditionellen Auftragskomposition gestaltete Max Nagl. Der Saxofonist erweiterte sein Quartett zum Octet "Eight in One" mit Luxusbesetzung. Was bei seiner Suite als Fusion groovy und ambitioniert begann, zerfledderte alsbald zu einer Art Session mit zum Teil feinen Tunes, Free-Einsprengseln, Coltrane-Zitaten und Anklängen an ein Begräbnis in New Orleans.
Schön jedenfalls das Interplay zwischen dem Akkordeonisten Otto Lechner und Pamelia Kurstin, die mit dem 1919 erfundenen Theremin das älteste elektroakustische Instrument zum Klingen brachte, indem sie - ohne direkte körperliche Berührung - quasi mit dem kleinen Finger elektromagnetische Felder beeinflusst.

Wenig sinnlich

Auf Sun Ra und das Art Ensemble of Chicago beruft sich der New Yorker Matthew Shipp, der es schon 2008 auf den Cover von "Downbeat" brachte. Sein eigenwilliger Piano-Stil weckt Assoziationen an Thelonious Monk und Cecil Taylor. Im Trio lässt er frei improvisierte Klänge und komplex strukturierte Passagen aufeinander prallen. Obwohl er vielgelenkig immer wieder Miniaturen liedhafter Klanglandschaften hervorzaubert, bleibt der Act spröde und überwiegend kopflastig, was auf Kosten der Sinnlichkeit geht.

Der aus Vietnam stammende und in den USA aufgewachsene Trompeter Cuong Vu spielte in Saalfelden u. a. schon mit Myra Melford, außerdem in den Bands von Pat Metheny, Bill Frisell und Bobby Previte und war auch schon mit David Bowie und Laurie Anderson unterwegs. Im eigenen "4-tet" kontrastiert er seine Cool-Attitüde, den dunklen, warmen Klang seines Instruments , mit gewitternden E-Bässen und Rock- und Funk-Rhythmen. Ein bisschen epigonal, wenn man an Miles Davis' Spätphase denkt.

Phonstarkes Finale

Brachial das Betthupferl nach Mitternacht mit The Dead Kenny G's: Das Trio will mit Sarkasmus und der rohen Kraft des Punk den Gehörschmeichlerjazz durch den Fleischwolf drehen. Da wechseln sich chaotische Improvisationslinien mit harmonischen Sax-Chorussen ab, Polyrhythmen mit simplen Akkorden, coole Sounds mit heißem Groove und Free Improvisation mit poppiger Eingängigkeit. Aber auch das gab's schon origineller und witziger, wissen jene, die sich noch an den "Fake Jazz" John Luries und seiner Lounge Lizards erinnern. So ging der Eröffnungstag mit höflichem Applaus zu Ende, aber ohne Herausragendes und ohne Höhepunkte.

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