Ruth Brauer-Kvam ist schon seit Jahrzehnten fasziniert von Massary. Endgültig ausschlaggebend dafür, ihr eine Hommage zu widmen, war ein grüner Fächer, den ihr Topsy Küppers zukommen hat lassen. „Sie hat geschrieben, den hat ihr die Tochter der Massary vermacht und sie vermacht ihn mir, weil ich auch eine singende Schauspielerin bin.“ Der Fächer wird übrigens auch eine der Requisiten sein. In der „spielerischen Revue“ (Premiere am 27. März) wollen Ruth Brauer-Kvam und Robert Palfrader der Massary und ihrem Mann Max Pallenberg ein Denkmal setzen.
Einfach Tschüss gesagt
Fritzi Massary, geboren als Friederike Massaryk, verfolgte ihre künstlerische Karriere früh mit Nachdruck: Mit 16 Jahren ging sie als Chorsolistin auf Tournee in Russland. „Sie war aus gutbürgerlichem, jüdischen Haus und hat einfach so Tschüss gesagt. Niemand hat an ihre Stimme geglaubt, weil die sehr klein und fein war, aber sie hat nicht aufgegeben.“ Erste sängerische Gehversuche in Wien und auch in Hamburg wurden mit Verrissen quittiert.
Aber dann ging sie nach Berlin: „Berlin hat ihren Witz verstanden. Sie hat mit dieser zarten Stimme die Herzen der Berliner erobert, weil sie so toll gespielt hat. Diese wunderbaren jüdischen Texte, die immer zweideutig sind: ,Anton steck den Degen ein und tu mir nichts zuleide, du wirst doch nicht so grausam sein, geh lass ihn in der Scheide.“
Massarys Revier war die Revue. Deshalb findet man sie auch, wenn man ihren Namen in Google eingibt, in unzähligen Rollen „Von der Putzhilfe bis zur Maria Theresia, sie hat alle gespielt. Max Reinhardt hat über sie gesagt, ,Ihr Oh la la ist wie ein ganzer Hamlet-Monolog’“, erzählt Brauer-Kvam. „Sie hat die Revue geliebt, sie hat gesagt, dass sie da jeden Abend etwas Neues finden kann. Sie war eine Besessene.“
Lifestyle-Ikone
Und sie war eine Großverdienerin und hatte großen Einfluss auf den Lifestyle, nach ihr wurde sogar eine Zigarettenmarke benannt. Eine Taylor Swift der damaligen Zeit? Da stimmt Brauer-Kvam zu: „Sie war eine hochmoderne Frau. Alle Platten mussten von ihr abgesegnet werden, ohne sie ging nichts raus. Sie hat auch als erste mit Mode gearbeitet. In Paris hat sie eine ganze Kollektion gekauft und sich fotografieren lassen. Damit hat nicht erst Marlene Dietrich angefangen. Sie war die erste, die Mode inspiriert hat und ihr war auch wichtig, wie sie wirkt.“
Aber dann wendete sich das Schicksal für Fritzi Massary. Während sie auf der Bühne umjubelt „Eine Frau, die weiß, was sie will“ sang, schrien draußen die Nazi-Chöre. Max Pallenberg, leidenschaftlicher Pilot, starb 1934 bei einem tragischen Flugzeugabsturz. Massary floh in die USA zu ihrer Tochter – die sie als Kind zur Pflege bei ihrer Mutter abgegeben hatte.
Nicht „irgendeine“ Rolle
Ihren Lebensabend verbrachte sie in Beverly Hills, ein Comeback auf der Bühne klappte nicht. Obwohl – wieder einmal – eine Operette für sie geschrieben wurde, diesmal von Noel Coward. „Operetta“ wurde ein Riesenflop. Ein letztes Angebot kam aus Hollywood: In der Verfilmung von „My fair lady“ mit Audrey Hepburn sollte sie „irgendeine Gräfin in irgendeinem Salon spielen, eine ganz kleine Rolle. Da hat sie abgesagt. Natürlich. Das würde ich auch machen“, zeigt Brauer-Kvam Verständnis.
Die Schauspielerin möchte mit ihrem Massary-Abend auch ein Schlaglicht auf ein Genre werfen, das nach dem Zweiten Weltkrieg praktisch verschwunden ist: „Die groteske und burleske Art der Operette, die ist verloren gegangen. Die jüdischen Librettisten waren weg, die Sänger und Sängerinnen waren weg, entweder tot oder ausgewandert. Man hat sich nach dem Krieg mehr auf den großen Klang verlegt. Aber diese frechen Texte muss man verstehen können.“ Bei „Ein bisschen trallalala“ werden sie und Palfrader daher von einem kleinen Salon-Orchester begleitet.
Und auch Revuen, wie sie Fritzi Massary so unvergleichlich beherrschte, würde Brauer-Kvam gern wieder auf der Bühne sehen. „Das hat alles so einen Haut-gout bekommen, das wird als kitschig und als Brainwashing hingestellt. Ich verstehe das auch, diese Gattung hat man einfach sehr lange verschludern lassen. Die Intellektuellen scheuen sich vor Entertainment, Show und Komödie, denn das ist ja albern. Aber das hat genauso seine Berechtigung wie jede andere Theaterrichtung. Der Mensch muss auch lachen. Vielleicht gehen die Leute dann auch glücklicher raus und sind bissl freundlicher zueinander – für einen halben Tag.“
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