Wie gut Styles Zielgruppe (weiblich, jung, hormongebeutelt) drauf ist, hört man sofort, als er die Show mit „Daydreaming“ beginnt. Der Song wird nicht der einzige an diesem Abend bleiben, bei dem das Publikum mit seinem hohen, spitzen Gekreische lauter als die Musik ist.
„Adore You“, der dritte, gehört auch dazu. Jede fühlt sich angesprochen und plärrt das Kompliment ihrem Mann der Träume, der auf der Bühne jetzt auch noch einen sexy Hüftschwungtanz hinlegt, inbrünstig zurück.
Versierte Band
Musikalisch ist dieser erste Teil geprägt von Styles weniger berühmten Songs, die Pop mit sanften Soul-Einflüssen mischen und jede Menge belebenden Rhythmus liefern. Auch wenn seine besten Melodien erst später kommen, ist diese Phase der Show schon alleine wegen der versierten Band unterhaltsam. Bläser und Bläserinnen betonen die souligen Parts, solieren genau wie die Bassistin und der Gitarrist, während Schlagzeugerin Sarah Jones als treibende Kraft brilliert.
Schade ist nur, dass der Sound nicht optimal ist und man die einzelnen Instrumente nur bei den leisen Stellen gut hört. Nach dem vierten Song unterbricht Styles und erklärt, was er an dem Abend vorhat: „Mein Job ist es, alles zu tun, um euch zu unterhalten, euer ist, Spaß zu haben. Fühlt euch frei und seid, wer immer ihr sein wollt.“
Dann kommt auch schon der erste Höhepunkt: Styles ist mit einigen seiner Musiker auf die Zweitbühne in der Mitte des Stadions gegangen und spielt dort rein akustisch „Matilda“. Geschrieben hat er das Lied für sein jüngstes Album „Harrys’s House“ – über ein Mädchen, das in einer Familie ohne Liebe aufgewachsen ist, dem Styles rät, sich als Erwachsene von der Geburtsfamilie zu lösen und die Vorfälle in ihrer Jugend nicht als normal anzusehen. Dazu lassen die Fans die Ränge mit ihren Handy-Lampen in rot-weiß-rot erstrahlen.
„Late Night Talking“, einer von Styles größten Hits, ist ein weiterer Höhepunkt. Daran schließt er den Teil seiner Show an, in dem er die Fans auffordert, ihre Plakate mit Botschaften oder Fragen hochzuhalten, und auf einige eingeht. Emilie aus der Schweiz will wissen, ob sie lesbisch ist, wenn sie 99 % aller Männer ekelhaft findet. „Ehrlich gesagt finde ich auch 99 % aller Männer ekelhaft“, antwortet er lachend, erkundigt sich dann aber, ob die Frage ernst gemeint ist. Vicky bittet ihn, ihr beim Coming-out zu helfen, was er mit schneller Percussion-Musik macht, die im kollektiven „Du ist frei“-Geschrei endet.
Dann kommt auch schon das Finale mit dem hysterisch bejubelten One-Direction-Hit „What Makes You Beautiful“, mit „Watermelon Sugar“ und der Ballade „Fine Line“, deren bombastisches Finale er für einen Abschiedsrundgang über den quadratischen Steg zur Zweitbühne nützt.
Aber natürlich kommt der 29-Jährige danach für eine Zugabe zurück auf die Bühne. Schließlich fehlen mit „As It Was“ und „Sign Of The Times“ noch zwei seiner Welthits. Der Letztere hat Styles Solo-Karriere begründete und es in die Rolling-Stone-Liste der 500 großartigesten Songs aller Zeiten geschafft. Er wird zum Triumphzug, der wieder von der – diesmal bunten – Handy-Beleuchtung der Fans auf den Rängen begleitet wird.
Wenn Styles bei der Show im Ernst-Happel-Stadion auch etwas mechanischer und die Show routiniert runterspulend wirkte als vor einem Jahr in der Stadthalle – es sei ihm verziehen. Denn das Ende der Tour ist nahe und sein Versprechen, gut zu unterhalten, hat er trotzdem wahr gemacht.
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