Romy Schneider: Die zwei Gesichter einer Frau

Das süße Mädel – die gezeichnete Frau. Als Romy Schneider in der Nacht auf den 29. Mai 1982 stirbt, hinterlässt sie in der Öffentlichkeit vor allem diese beiden Bilder von sich.
„Die zwei Gesichter einer Frau“ heißt einer ihrer letzten Filme. In Dino Risis gespenstischem Drama aus dem Jahr 1981 spielt sie die bis zur Unkenntlichkeit gealterte Jugendliebe eines Mannes, vor dessen Augen immer wieder die zwei Gesichter der Schönen von einst und der vom Leben Gezeichneten von heute auftauchen. Die zwei Gesichter der Romy Schneider? Zwei Filme wird sie danach noch drehen. Den letzten, „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“, kann sie nicht mehr selbst synchronisieren, sie stirbt kurz nach der Premiere mit nur 43 Jahren an Herzversagen.
Die Mutmaßungen, warum das Herz dieser so jungen Frau aufgab, sind sonder Zahl. Sicher ist: Ihre Gesundheit war schwer angeschlagen. Wenige Monate zuvor hatte sie sich einer Nierenoperation unterzogen. Seit Jahren hatten Alkohol und Schmerzmittel ihre Versagensängste in Schach gehalten und über Schicksalsschläge hinweggeholfen, manche nannten das Selbstmord auf Raten. Die frühe Ausbeutung durch ihre Familie – ihre Mutter Magda Schneider und deren Mann Hans Herbert Blatzheim bedienten sich am „Sissi“-Erfolg; die Trennung von ihrer großen Liebe Alain Delon; der Selbstmord ihres Ex-Mannes Harry Meyen und der tödliche Unfall ihres 14-jährigen Sohnes David am 5. Juli 1981. Mit diesem Tag, so beschrieb es Delon, mit dem sie bis zuletzt Freundschaft verband, habe Romy Schneiders „Sterben begonnen“.
Ein Klotz am Bein
Geboren als Rosemarie Albach-Retty am 23. September 1938 in Wien, war Romy Schneider der Mittelpunkt des spießigen deutsch-österreichischen Filmuniversums, bevor sie zum Weltstar wurde. Mit Ernst Marischkas „Sissi“-Trilogie, die sie später als „Klotz am Bein“ empfand, wurde sie als Teenager berühmt. Nach einem Zwischenspiel in Hollywood, wo sie unter anderem mit Orson Welles drehte, wurde sie zur durch und durch französischen Schauspielerin, die mit Filmen wie Claude Sautets „Die Dinge des Lebens“ Filmgeschichte schrieb.
Sie könne alles auf der Leinwand – im Leben hingegen nichts, wird sie oft zitiert. Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt. So beschreibt sie sich etwa in Hans-Jürgen Syberbergs TV-Doku „Romy – Porträt eines Gesichts“. 25 ist sie da, sie wird mit dem Alter nicht gelassener. Noch Jahre später bekennt sie: „Ich muss immer bis zum Äußersten gehen, selbst wenn es nicht gut ist.“ Es gibt viele derart offenherzige Zitate von Romy Schneider. Immer wieder offenbart sie sich, brennt darauf, „ihr wahres Gesicht“ zu zeigen.
Jemand hätte sie vielleicht vor sich selbst beschützen sollen. Niemand tat es. Nicht ihre Familie – ihre Mutter begann kurz nach Romys Tod eine ausführliche Artikel-Serie in der Bild-Zeitung – und schon gar nicht die mediale Öffentlichkeit, die scheinbar mitlitt, aber vor allem ein gutes Geschäft mit ihr machte. Bei ihrem Begräbnis waren die Trauerreden kaum zu hören, weil Reporterhubschrauber über dem Friedhof kreisten. Selbst von ihrem toten Sohn im Krankenhaus wurden Fotos gemacht. Der Stern, der besonders gut an ihr verdient hatte, begann wenige Monate nach ihrem Tod eine mehrteilige Serie mit dem scheinheiligen Titel „die Ausbeutung der Romy Schneider“.
1979 drehte Romy Schneider den dystopischen Science-Fiction-Thriller „Der gekaufte Tod“, der mediale Entwicklungen beklemmend antizipiert. Sie spielt darin eine schwerkranke Frau, deren Sterben von Fernsehzuschauern live miterlebt wird. Bei der Premiere sprach sie von persönlicher Betroffenheit: „Sie wissen, wie hoch ein Privatfoto von mir, zum Beispiel nach einer Fehlgeburt, in der Presse gehandelt wird.“
Romy Schneiders Lebensgeschichte erzählt auch vom Umgang der Öffentlichkeit mit scheinbar öffentlichen Menschen. Sie sei wohl an gebrochenem Herzen gestorben, mutmaßten Medien, nach dem sich die vorschnell hinausgebrüllte Schlussfolgerung, Schneider habe Selbstmord begangen, nicht bestätigt hatte. Man darf einen Teil dieser Anteilnahme heuchlerisch nennen. Tatsächlich hatte man ihr nie verziehen, dass sie, die seit „Sissi“ als deutsches Nationaleigentum betrachtet wurde, nach Paris gegangen war und dort ein neues Leben begonnen hatte.
Die Schicksalsschläge, die sie erleiden wird, taugen immer wieder für Schlagzeilen. Als Alain Delon ihr nach fünf Jahren Beziehung auf einem handgeschriebenen Zettel den lapidaren, berühmt gewordenen Satz „Bin mit Nathalie nach Mexiko“ hinwirft, schwingt ein Hauch von „Wir haben es gewusst“ mit. .„Romy ohne Glück“, titeln Zeitungen. Anders als in Frankreich, kultiviert man in Österreich und Deutschland das Bild der kaputten Frau mit dem kaputten Leben. „Die Legende von der tragischen Romy Schneider wird immer wieder erzählt, aber deshalb nicht richtiger“, sagt ihre Tochter Sarah Biasini. „Natürlich hat sie schwierige Trennungen erlebt, ihr Sohn ist gestorben. Aber meine Mutter war mehr als das. Meine Mutter hat nicht nur geweint.“
Zu weit zu weit gegangen
Im Mai 1982 wird die Île-de-France immer wieder von heftigen Stürmen heimgesucht. Enormen Niederschlagsmengen wird ein brütend heißer Sommer folgen. Romy Schneider wird ihn nicht mehr erleben. Ihr Lebensgefährte Laurent Pétin findet sie am Pfingstsamstag um 6.30 Uhr in ihrer Pariser Wohnung leblos in einem Sessel vor ihrem Schreibtisch.
„Am Ende ihres Lebens strich der Tod um sie herum und ich habe es erst im Nachhinein bemerkt“, wird ihr guter Freund Jean-Claude Brialy, mit dem sie am Wochenende ihres Todes verabredet war, zitiert. Und: „Man muss wissen, wie weit man zu weit gehen kann. Romy ist sehr weit gegangen. Und sie ist nicht mehr zurückgekehrt.“
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