„Die Rolling Stones werden nie auf Abschiedstour gehen“, sagt er. „Es kann sein, dass ,Sixty‘ die letzte Tour ist, aber sie würden das nie so nennen. Sie sehen sich auch nach 60 Jahren auf der Bühne noch als eine funktionierende, arbeitende Band. ,Sixty‘ ist nur ein weiteres Kapitel in ihrer Geschichte. Die Einzigen, die nie darüber reden, ob sie aufhören, sind die Rolling Stones selbst.“
Deshalb ließ sich das Trio auch nicht von den durch die Pandemie entstandenen Lieferschwierigkeiten gewisser Materialien für den Bau ihrer Bühne, oder den Brexit-Problemen mit der Ein- und Ausreise der in England gebauten Kulissen davon abhalten, diesen Sommer auf Europa-Tour zu gehen. Diese Probleme musste ohnehin vor allem Ray Winkler bewältigen. Er ist der „Show-Architekt“, entwirft auch die Bühnen von Elton John, Queen und Lady Gaga und arbeitet seit 1989 mit den Rolling Stones.
„Unser Job ist, die Visionen, die die Musiker für das Bühnendesign haben, so umzusetzen, dass sie in der Realität funktionieren“, erklärt Winkler im KURIER-Interview. „So, dass sie sowohl vom technischen Aspekt her, als auch von der Praxis einer Tour her funktionieren, wo das alles jeden Tag neu auf- und abgebaut wird, und transportiert werden muss.“
Bei dieser Tour arbeitete Winkler eng mit Mick Jagger zusammen. Früher, als Charlie Watts noch lebte, war auch der stark in diesen Prozess involviert.
„Die Idee für die ,Sixty‘- Tour war, dass wir eine spektakuläre Fassade bauen, die bunt und lebensbejahend ist, weil es Sommer ist und die Shows zur Hälfte im Tageslicht stattfinden“, erzählt er. „Deshalb musste alleine die Fassade schon spektakulär sein. Wir wollten die typischen Stones-Farben rot und gelb dabei haben. Und die Form der Lippen vom Zungenlogo. Außerdem musste die Fassade flexibel sein, weil die Höhe des Stadiondachs in jeder Stadt anders ist.“
Deshalb kam Winkler auf die „Ziegelwand“-Lösung für die Fassade, die aus 100 Teilen besteht. Beim Aufbau wird zuerst am Bühnenboden die oberste Reihe der Teile nebeneinandergestellt und fix verbunden. Diese Reihe wird dann hochgezogen, die nächste Reihe darunter gestellt und mit der oberen verbunden. Dann wird die hochgezogen, und so weiter. So kann man die untereste Reihe der Wand-Elemente weglassen, wenn die Höhe des Stadiondachs das erfordert.
Mit all diesen Anforderungen ist die „Sixty“-Bühne 20 Meter tief, 55 Meter breit und rund 16 Meter hoch. Wie lange es dauert, das auf- und abzubauen, hängt vom Übungsgrad der Crew ab.
„Wir haben die Bühne in Cardiff in einem Hangar gebaut, und dann gleich dort zu Übungszwecken von der Crew ein paar Mal auf- und abbauen lassen. Beim Tourstart in Madrid haben wir sie nach der Generalprobe wieder nur zur Übungszwecken einmal ab- und danach gleich wieder aufgebaut. Ich hatte bei den Stones schon Tourneen, wo der Aufbau zu Beginn 12 Stunden und beim letzten Konzert nur mehr drei Stunden gedauert hat.“
32 Meter lang ist der Steg, der zur kleinen Bühne im Publikum führt, und Winkler ist ob dieser Dimensionen voll Bewunderung für Mick Jagger: „Wenn er einmal zum Ende dieses Steges, wieder zurück und dann auf die Seite läuft, sind das 110 Meter. Und das macht er 20 bis 30 Mal pro Show. Aber er will seinem Publikum so nah wie möglich sein. Und dafür gibt er auch mit 78 Jahren immer noch alles.“
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