"Rojava" im Volkstheater: Musik ist die Antwort auf Krieg
Stell Dir vor, es ist Krieg – und noch einer geht hin. Aber dieser Michael aus Wien ist kein verwirrter Ego-Shooter, der für den IS ins Feld zieht, sondern ein verweichlichtes Bürschchen mit Hang zur Revolutionsromantik. Er will – man schreibt das Jahr 2016 – mit seiner Freundin Derya, die ihn nicht sexy findet (denn sonst wäre das Vögeln Sünde), nach Rojava.
Darunter versteht man ein autonomes Gebiet namens „Demokratische Föderation Nordsyrien“, im März jenes Jahres von kurdischen, turkmenischen, arabischen und assyrisch-aramäischen Delegierten ausgerufen. Dort soll eine bessere, gerechtere Welt entstehen – inklusive Gleichheit der Geschlechter. Irritierenderweise kommt allerdings nur Michael in Rojava an. Warum, wird im Volkstheater Wien nicht erklärt.
Michaels Mutter ist natürlich alles andere als erfreut, dass ihr Sohn zum Westentaschen-Revolutionär wird. Er möge doch lieber den Kapitalismus an der Wurzel bekämpfen, an der Wall Street. Mit dem wütenden Protest von Claudia Sabitzer als leidgeprüfte Einzelkindmutter beginnt Ibrahim Amirs verschachtelter Szenenreigen „Rojava“, der am Donnerstag uraufgeführt wurde.
Der Sohn, von Peter Fasching mit ausreichend Naivität ausgestattet, lässt seine Mutter zunächst mit Videos teilhaben an seinen Erlebnissen: Linsensuppe als Frühstück ist nicht sein Fall, für seine Genossen kocht er Eiernockerln. Zu den Schilderungen sieht man irritierenderweise projizierte Frames aus dem Comics-Band „Kabane Calling“: eine billige Notlösung.
Flucht in die Josefstadt
In der viel zu pittoresken Kriegslandschaft mit Sandsäcken und Strommasten (von Vibeke Andersen) steht Michael verloren herum. Und so lernt er zwei Cousins kennen, die dem Krieg entfliehen wollen, der nicht der ihre sei. Der Eine ist blind: Sebastian Pass berührt als sonnenbebrillter Kaua, der Meisterschaft darin erlangt hat, das tatsächlich undurchsichtige Kriegsgeschehen nach dem Lärm der Geschütze zu analysieren. Ihm bleibt nichts als die Hoffnung, von Alan (Luka Vlatković), der sich in die Josefstadt durchschlagen kann, nachgeholt zu werden.
Es sind viele, kleine Geschichten rund um Liebe, Verlust, Heimat und Politik, die Amir zu erzählen weiß. Leider gehen sie nur selten in die Tiefe. Sandy Lopičić behilft sich als Regisseur mit dem, was er am besten kann: mit Musik, mit orientalischen Weisen, aber auch mit einem irritierend unpassenden „Ave Maria“. Musik ist eben die Antwort: Statt einem Gewehr hat Fasching eine E-Gitarre geschultert. Und weil der trockene Humor nicht zu kurz kommt, werden die zwei Stunden Nettospielzeit recht vergnüglich. Die halbe Tribüne hatte trotzdem in der Pause das Weite gesucht. Was die Claqueure am Rang nicht am Jubeln hinderte.
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