Robert Redford ist gestorben: Blaue Augen, klare Haltung

Robert Redford dies at 89
Filmstar, Regisseur, Festivalgründer – Hollywood hat mit Robert Redford nicht nur eine prägende Figur, sondern auch ein Gewissen verloren. Der Schauspieler starb mit 89 Jahren.

Wenn man in den Siebziger- und auch noch Achtzigerjahren kinoliebende Damen gefragt hat, für welchen Star sie schwärmen, dann fiel überdurchschnittlich oft – meist kombiniert mit einem wohligen Seufzer – sein Name: Robert Redford. Dem Schauspieler war das eigentlich gar nicht recht und verstanden hat er es auch nicht: „Ich hatte keine Ahnung. Ich? Attraktiv? Im Gegenteil, ich hatte rote Haare und zu lange Zähne. Aber plötzlich wurde ich umringt von kreischenden Frauen, die mir die Klamotten vom Leib reißen wollten. Ich mochte mich danach nicht mehr in der Öffentlichkeit blicken lassen“, erzählte er in einem raren Interview.

Von einer solchen Abwendung hat er zum Glück abgesehen. Sonst hätte die Filmwelt auf eine der schillerndsten Karrieren verzichten müssen. Die freilich einen eher stotternden Start genommen hat. Ab 1960 spielte er in Serien, 1962 hatte er sein Leinwanddebüt in dem ambitionierten Antikriegsfilm „Hinter feindlichen Linien“. Der floppte und einige Fehlschläge folgten. Am Theater war er damals erfolgreicher. Ein Bühnenstück war es denn auch, das ihm den Durchbruch in Hollywood brachte: Mit der Verfilmung von „Barfuß im Park“ von Neil Simon an der Seite von Jane Fonda änderte sich 1967 endlich sein Image als Kassengift. Um sich 1969 endgültig ins Gegenteil zu wenden: Die Westernkomödie „Butch Cassidy und Sundance Kid“ (dt. „Zwei Banditen“), in der er und Paul Newman zwei Antihelden-Cowboys spielten, wurde einer der größten Kinokracher der Sechziger.

Oscar für Regie

In die Filmgeschichte schrieb er sich dann mit so unterschiedlichen Filmen wie der Literaturadaption „Der große Gatsby“, dem Watergate-Thriller „Die Unbestechlichen“ oder der Romanze „So wie wir waren“ (mit Barbra Streisand) ein. Letztere war die Folge einer außerordentlich produktiven Zusammenarbeit mit Regisseur Sydney Pollack, mit dem Redford etwa auch „Die drei Tage des Condor“ und „Jenseits von Afrika“ (der Film, der Millionen Menschen glauben machte, sich gegenseitig die Haare zu waschen, könnte nur annähernd so erotisch sein wie bei Redford und Meryl Streep) verwirklichte.

Mit Paul Newman spielte er in „Der Clou“ 1973 wieder zusammen. Die Gaunerkomödie brachte Redford seine einzige Oscar-Nominierung als Schauspieler. Gewonnen hat er den Filmpreis nur als Regisseur, gleich 1981 für seine erste Arbeit „Eine ganz normale Familie“. Er inszenierte weiters etwa sich selbst als „Der Pferdeflüsterer“ oder Brad Pitt in „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“.

Auch später sah man ihn in differenzierten Rollen: Da war der fesche Millionär, der sich Demi Moore in „Ein unmoralisches Angebot“ (1993) für eine Nacht kaufen konnte. Und da war der Segler, der in dem nassen Kammerspiel „All is lost“ (2013) tagelang manövrierunfähig im Indischen Ozean um sein Leben kämpft – seine physisch herausforderndste Rolle.

Umwelteinsatz

Lange bevor Leonardo DiCaprio die Zweitkarriere als Umweltaktivist entdeckte, setzte sich Robert Redford mit eleganter Beiläufigkeit für planetenerhaltende Maßnahmen ein. Mit der ihm eigenen Ernsthaftigkeit legte er auch bei seinen Filmen von Anfang an Wert darauf, dass sie von kulturellem oder politischem Wert waren. Und deshalb konnten Filme über den Watergate-Skandal oder über die Korrumpierbarkeit von US-Geheimdiensten zu Kinohits werden. Man wird in Redfords Oeuvre kein Werk finden, das sich der Flachheit verschreibt. Er hatte die seltene Eigenschaft, allein durch seine Präsenz Tiefe zu verleihen.

Die Kunst zog Redford schon früh an. Der 1936 in Santa Monica geborene Kalifornier ging in den 1950ern nach Europa, auch um den frühen Tod seiner Mutter zu verarbeiten. In Paris und Florenz studierte er kurzzeitig an mehreren Kunstakademien, war sogar Straßenmaler. Auch in Frankreich hielt er sich auf, es muss aber eine eher einsame Zeit gewesen sein: „Ich saß in Bars und Cafés mit einem Skizzenbuch und malte die Leute um mich herum. Meine Skizzenbücher leisteten mir damals Gesellschaft, ganz besonders als ich sehr jung nach Frankreich zum Studieren kam, niemanden kannte und keine Freunde gewann. Auf der rechten Seite des Buches skizzierte ich die Menschen um mich herum, auf der linken Seite erfand ich für sie Dialoge.“

Seine letzte Hauptrolle spielte er in der charmant-sentimentalen Komödie „Ein Gauner und Gentleman“ 2018, seinen allerletzten Leinwandmoment hatte er im Superhelden-Spektakel „Avengers: Endgame“ 2019. Das ist schon eine kuriose Fußnote seiner Karriere, passt es doch so gar nicht zu seinem Einsatz für das Independent Cinema. 1980 gründete er das Sundance Institute, das ein Filmschaffen abseits von großen Hollywood-Budgets fördert. Seit 1984 findet jährlich das Sundance Film Festival statt – und hat die Karrieren von unter anderem Quentin Tarantino, Darren Aronofsky, Chloe Zhao und Ava Duvernay maßgeblich beeinflusst. Der glamourösen Filmstarszene hat sich Redford ohnehin nie zugerechnet: „Ich bin kein Hollywood-Schauspieler. Das zu hören, macht mir immer Bauchschmerzen. Ich war in meinem Selbstverständnis ein New Yorker Schauspieler, der ab und zu nach Hollywood kam, um einen Film zu drehen.“ Gelebt hat Redford deshalb schon lange in Utah. Dort ist der Mann, dem es die USA noch erlaubt haben, ihnen mit einer mühelosen Coolness und sehr blauen Augen einen Spiegel vorzuhalten, am Dienstag mit 89 Jahren gestorben.

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