Robert Meyer: „Ich will auf der Bühne eine Geschichte sehen!“
Die Gemeinsamkeit mit Kaiserin Sisi und Michael Heltau: Auch Robert Meyer stammt aus Bayern. Vor fast einem halben Jahrhundert (konkret: 1974) kam der Überzeugungskomiker und Nestroywiedergänger ans Burgtheater. Die letzten 15 Jahre war er Direktor der Volksoper, ab Donnerstagabend (13. Oktober) spielt er im Theater in der Josefstadt.
KURIER: Wir treffen uns im Café Weimar – neben dem Haus, das Sie geleitet haben.
Robert Meyer: Weil ich gerade von der Wiederaufnahmeprobe für „Cabaret“ komme – und in die Josefstadt zur Generalprobe für „Der Wald“ muss. Das Café Weimar liegt zwar nicht in der Mitte, aber auf dem Weg.
Sie treten also weiterhin auf.
Ja, in drei Produktionen. Es gab bereits eine kleine Serie „La Cage aux Folles“, später kommt noch „My Fair Lady“.
Wie ist das, wenn man nicht mehr als Direktor in die Volksoper geht?
Höchst angenehm. Denn mir geht es nun wie den anderen Kolleginnen und Kollegen: Ich muss nach der Probe nicht mehr hinauf ins Büro.
Sie waren sehr betrübt, dass Ihr Vertrag nicht noch einmal verlängert wurde. Aber Sie haben sich rasch gefangen.
Ein Grund war die Pandemie. Die Lockdowns, in denen wir nichts machen konnten, waren für alle Theaterschaffenden, auch für mich, der reinste Horror. Diese Zeit hat uns irgendwie verändert. Ich war dann eigentlich froh mit der Entscheidung der Kulturpolitik. Jetzt, als freier Schauspieler, fühle ich mich viel wohler.
Hat Lotte de Beer Ihnen auch eine neue Rolle angeboten?
Bisher nicht.
Stünden Sie zur Verfügung?
Das hängt vom Stück, von der Rolle und von der Regie ab. Und von meinen anderen Terminen. Denn ich spiele auch bei Josef Ernst Köpplinger am Gärtnerplatz-Theater in München. Aber das ließe sich schon machen. So viele Vorstellungen spiele ich ja nicht mehr.
Sie waren das Zugpferd. Haben Sie je erheben lassen, wie viele Besucher nur Ihretwegen in die Oper gekommen sind?
Nein, das wäre ja schrecklich eitel gewesen! Aber ich muss gestehen, dass es mich auch früher, am Burgtheater, immer sehr gefreut hat, wenn meine Soloabende schon nach kurzer Zeit ausverkauft waren. Ja, so eitel bin ich dann doch. Es ging mir gar nicht darum, sie zu geben, aber es gibt eben die „versteckten Schließtage“ vor einer Premiere. Da bleibt das Bühnenbild für die Endproben stehen – und vor dem Eisernen Vorhang habe ich eben zum Beispiel „Tannhäuser in 80 Minuten“ gespielt.
Am Burgtheater bestritten Sie u. a. auch einen Karl-Valentin-Abend. Am erfolgreichsten war aber wohl „Wenn alle Stricke reißen, häng’ i mi auf“?
Ich habe diese Programme immer dann entwickelt, wenn es für mich grad keine großen Rollen gab. Man bat mich einmal, mit den Nestroy-Couplets einzuspringen – im großen Haus. Und dann noch einmal. Insgesamt hab’ ich in meiner Burgtheater-Zeit 85 Soloabende gegeben, davon 35 mit „Wenn alle Stricke reißen“.
Kehren Sie zurück?
Niemand hat sich gemeldet.
Das Burgtheater dürfte andauernd ausverkauft sein. Aber nun geben Sie Ihr Debüt an der Josefstadt. Wie kam es dazu?
Herbert Föttinger, der Direktor, hat mich angerufen. Und dann schlug er den „Wald“ von Alexander Ostrowskij vor. Es geht um zwei abgetakelte Provinzschauspieler, die sich über das schlechte Theater und ihr eigenes Unglück beklagen. Ein gefundenes Fressen für zwei Komödianten wie Föttinger und mich! Wir hatten bei den Proben sehr viel Spaß.
Ist Föttinger nicht eher ein eitler Tragöde?
Er ist daher der Tragikow – und ich bin der Komikow. Diese Auseinandersetzung der beiden über das Leben: Das macht den Witz des Stückes aus. Man kann ja auch über das Tragische lachen, es kommt nur darauf an, wie es gebracht wird.
Der Dirigent Philippe Jordan hat kürzlich im KURIER-Interview beklagt, dass es zu viel zu wenig durchdachtes Regietheater gibt. Sie pflichten bei?
Ich kenne Regisseure, die mit Musiktheater nichts am Hut haben – und erstaunlicherweise an großen Häusern Opern inszenieren. Ich sag ja nicht, dass man die Partitur lesen können muss, das kann ich auch nicht. Aber einen Klavierauszug muss man lesen können! An der Volksoper hatten wir dieses Regietheater, von dem Sie sprechen, eigentlich nie. Ich wollte Produktionen, die das Publikum interessieren. Aber wenn ein Regisseur alles auf den Kopf stellt … Ja, Kinder! Ich will auf der Bühne eine Geschichte sehen!
Der Altersdurchschnitt des Publikums lag bei 65 Jahren…
Nicht ganz! Aber natürlich ist das Publikum in den letzten 15 Jahren älter geworden.
Ihre Nachfolgerin muss nun das Publikum verjüngen. Wird ihr das gelingen?
Sie will jüngere Menschen für die Operette begeistern. Und sie hat ihre Intendanz mit einer Operette begonnen – noch dazu mit einer, die selten gespielt wird. Das finde ich tapfer. Ich habe festgestellt, dass jüngere Menschen lieber ins Musical gehen. Ich habe daher viele gebracht – ohne mich dafür zu schämen. Denn das Musical ist die jüngere Schwester der Operette. Die Sondheim-Musicals sind toll komponiert, „Sweeney Todd“ war großartig, viele unserer Produktionen haben voll eingeschlagen. Da kommt die klassische Operette leider nicht mit. Aber ich wünsche Lotte de Beer von ganzem Herzen, dass sie Erfolg hat!
Der Spielplan: Dem Krieg zum Trotz gibt es in der Josefstadt heuer einen Russland-Schwerpunkt: Die Dramatisierung des Leo-Tolstoi-Romans „Anna Karenina“ (seit 1. September) ergänzen Maxim Gorkijs „Sommergäste (ab 29. März) und „Der Wald“.
Der Wald: In der 1871 uraufgeführten Komödie von Alexander Ostrowskij stehen zwei zerlumpte Provinzschauspieler einer reichen, hedonistischen Gesellschaft gegenüber. Regie führt Stephan Müller, es spielen u. a. Michael König, Robert Joseph Bartl, Tobias Reinthaller und Claudius von Stolzmann.
Die Grande Dame: Und Andrea Jonasson, die Grande Dame mit der rauchigen Stimme, feiert im „Wald“ als Gutsbesitzerin ihr 60-Jahr-Bühnenjubiläum. Die deutsche Schauspielerin, Jahrgang 1942, war mit dem Regisseur Giorgio Strehler verheiratet und von 1974 bis 1998 im Ensemble des Burgtheaters.
Kommentare