„Jetzt sind gerade alle super inklusiv“, sagt Robert Gabris. „Doch hat die Institution Kunst auch die Ressourcen und die Macht, etwas zu verändern? Ich glaube, dass das nicht möglich ist.“
1986 in einer slowakischen Romasiedlung geboren und als queerer Mann in der eigenen Herkunftsgemeinschaft mit Ausgrenzung konfrontiert, findet sich Gabris heute in einer seltsamen Situation. Denn die Kunstwelt braucht Menschen wie ihn, um zu demonstrieren, dass sie aus ihrer eigenen Geschichte der Ausgrenzung gelernt hat und sich bessert. Die Gefahr, dabei erst recht vor den Wagen gespannt zu werden, ist Gabris mehr als bewusst. Seit zwei Jahren investiert er daher die Hälfte seiner Honorare, um im Roma-Ghetto seiner Familie Renovierungs- und Schulprojekte zu finanzieren.
„Die Institution, der ich diese Themen gebe, muss etwas zurückgeben“, sagt der Künstler, der seit einigen Jahren in Wien lebt und heuer mit dem erstmals verliehenen Belvedere Art Award ausgezeichnet wurde, der sich eine „inklusive, queer-feministische und diversitätsorientierte Ausrichtung“ auf die Fahnen geschrieben hat. Auch bei der „documenta fifteen“ in Kassel war Gabris zuletzt mit einer eindrücklichen Rauminstallation präsent.
Eigentlich aber sieht sich Gabris als Zeichner: Seit der Kindheit, sagt er, tue er nichts anderes. Mit virtuosem Strich bannt er von Blumen und Tieren bis zu Knochen alles Erdenkliche auf Papier. In seinen ausgestellten Arbeiten verfließen diese Motive zu fantastischen Hybridwesen, stets mit dem Hintergrund, dass der Künstler sich damit auseinandersetzt, seine Identität nicht in vorgefassten Kategorien zu finden.
In Performances wie „Insectopia“ (Bild oben) verwandelte sich der Künstler dazu mit allerhand Prothesen selbst in ein Insektenwesen – Vorbild sei aber weniger Kafkas „Verwandlung“ als die Sammlung „festgenagelter“ Insekten im Wiener NHM gewesen, wie Gabris sagt. Im Herbst 2023 wird der Künstler eine Solo-Schau im Belvedere 21 zeigen – neben einem Preisgeld von 20.000 € ist dies Teil der Auszeichnung.
Ergänzung 10. 1. 2023: Nach Erscheinen des Print-Artikels meldete sich Robert Gabris beim Autor - er fand, dass der obige Artikel seine Kritik am Kunstsystem zu wenig differenziert wiedergegeben habe. Im Folgenden also eine Ergänzung des Künstlers im Wortlaut:
"Die wichtigste Aufgabe bei solchen Anerkennungen ist, die vorhandenen finanziellen aber auch inhaltlichen Ressourcen richtig zu nützen, also fair umzuverteilen und Konzepte von Diversität nicht als Trennungsmaßnahmen, sondern als Verbindungsräume zu schaffen. Ich bin mir der schwierigen Strategie bewusst und versuche, durch meine eigene zeichnerische Praxis notwendige, längst fällige Inhalte zu übermitteln. Ich betrachte diese Anerkennung als faire Chance, Diversität als gleichberechtigten Teil der Mehrheitsgeselschaft wahrzunehmen. Skepsis von Machtstrukturen werden endlich in den Kunstinstituten inhaltlich diskutiert - über uns - mit uns - und vor allem, von uns."
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