Der Geist kommt aus der Kloake

Groß-Performance, Film und Skulptur: 25 Tonnen flüssiges Eisen wurden in einer Kunstaktion über das Chrysler-Chassis gegossen – daraus entstand die Skulptur "Djed"
Film "River of Fundament" von Matthew Barney – im Mai bei den Wiener Festwochen.

Norman Mailer stirbt gleich drei Mal. Sein Geist taucht aus der Kloake auf und wird zum stummen Gast bei der eigenen Totenwache. Das an beiden Beinen amputierte Model Aimee Mullins fügt sich Schnittwunden zu. Die menschliche Seele wird durch einen Chrysler ersetzt. Und die Reinkarnation durch Recycling ...

Europapremiere von "River of Fundament": Die Bayerische Staatsoper wurde Sonntag zum Kino. "Eine Oper der anderen Art", kündigte Hausherr Klaus Bachler an. "Sie dauert zehn Minuten länger als Wagners ,Meistersinger von Nürnberg‘."

Das New York Times Style Magazine nennt Matthew Barneys Fünf-Stunden-Filmopernperformancespektakel durchaus treffend ein "Zombie-Film-Musical". Performt wird es von Sängerinnen, Baritonen, einem Jazz-Schlagzeuger und einer indianischen Powwow-Gruppe. Es gastiert im Mai auch bei den Wiener Festwochen.

Morbid

Der Amerikaner Matthew Barney ist mit seinem "Cremaster"-Zyklus (1994–2002) bekannt geworden.

Das "River"-Monumentalwerk (Musik: Jonathan Bepler) ist von Norman Mailers Roman "Frühe Nächte" (1983) inspiriert und oszilliert um Tod, Wiedergeburt, Transformation, Transzendenz. Und zeigt auch ungeniert das Verfaulende und Verwesende. Dass aus Scheiße als Dünger wird, was am Tisch in der Salatschüssel landet. Gibt sich aber allzu anal- und fäkalfixiert. Da wird in echten Eingeweiden gewühlt und in den Innereien von Autowracks. Aus zum Teil faszinierenden, teils abstoßenden Bildern und Szenen, die verstören, entstand ein rätselhafter, makaberer und bizarrer Drei-Akter.

Wiedergeburt

Der Mix aus Kunstfilm und Doku wurde in Los Angeles gedreht, außerdem im industriellen Wasteland der Auto-Metropole Detroit und in New York, der Stadt, die aussieht wie "die Spalte zwischen zwei Po-Backen".

An jedem dieser Orte gab es Live-Performances vor Publikum, die im Film verarbeitet sind. Die spektakulärste in Detroit: Barney ließ 2010 eigens fünf Hochöfen bauen, um 25 Tonnen Eisen zu schmelzen, die schließlich zur riesigen Skulptur "Djed" erstarren.

Das Münchner Haus der Kunst zeigt bis 17. 8. in einer Ausstellung zum Film Zeichnungen, Fotos und überdimensionale Skulpturen.

Aus kunstharzgebundenem Schwefel hat Barney einen Brunnen gebaut, mit Zink und Gold einen Kühlergrill verschönert, ein Schiff aus Holz und Bronze, Sand und Stahl errichtet.

Im Film wird Osiris in Detroit in einen goldenen Trans Am eingesperrt. Wie in dem Mythos von Osiris, der von seinem Bruder in einen Sarg gesperrt und in den Nil geworfen wird. Bei Barney fährt der Sportwagen durch die Stadt und stürzt schließlich von einer Brücke in den Fluss, mit Osiris an Bord.

Auch Autos können einen grausamen Tod der Verschrottung sterben, ehe es zur Wiedergeburt als Wiederverwertung kommt.

Aber zunächst beweinen Isis, die Chefin der Spurensicherung und die Polizistinnen die sterblichen Überreste des Crown Imperial, Osiris’ Körper, in aparten Arien.

Zwischendurch stapft auch Barneys frühere Ehefrau, die isländische Popsängerin Björk, durchs Bild ...

Worum es wirklich geht in dieser etwas verworrenen Groteske der Seelenwanderung eines Künstlers, der ein großer Fan der ägyptischen Mythologie ist? Schwer zu sagen, aber Interpretationen mag Barney sowieso nicht:

Wenn etwas zu deutlich wird, stirbt die Magie, meint der 47-Jährige. Es geht ihm mehr um die kollektive Erfahrung eines Mysteriums ...

www.festwochen.at

www.hausderkunst.de

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