Sammler Ernst Ploil: „Es nutzt kein Streiten auf dieser Welt“

Ernst Ploil (mit einer Plastik von Fritz Wotruba) über die Gründe, warum er Kunst sammelt: „Kurzum, es geht um das Beseitigen von Chaos“
Der Wiener Anwalt über Restitutionsfragen, seine Kunstsammlung und das von ihm mitgegründete Auktionshaus im Kinsky

Der Wiener Anwalt Ernst Ploil, Jahrgang 1946, gewährt erstmals einen Einblick in seine Kunstsammlung – in der Landesgalerie in Krems (die Ausstellungsbesprechung finden Sie am Ende des Interviews!). Er ist zweifellos einer der wichtigsten Fädenzieher des hiesigen Kunsthandels. Denn er berät die Familie Leopold, arbeitet für das Belvedere. Und ihm gehören 50 Prozent des Auktionshauses im Palais Kinsky.

KURIER: Ihr Vater hat tatsächlich monatelang nicht mit Ihnen geredet, nur weil Sie einst Möbel von Koloman Moser gekauft haben?

Ernst Ploil: Das liegt mehr als vier Jahrzehnte zurück! Mein Vater fand, dass Jugendstil-Objekte keine Kunst, sondern bestenfalls bedeutungslose Schnitzereien seien. Er sagte zu meiner Mutter, dass seinem Sohn wohl der Beruf zu Kopf gestiegen sein müsse. Zugegeben, der Kauf ging damals weit über meine wirtschaftlichen Möglichkeiten hinaus. Es handelte sich um das Interieur der Gerta Löw und kostete weit mehr als zwei Jahreseinkommen. Ich nahm dafür einen Kredit auf.

Aber der Wert hat sich seither vervielfacht …

Ja. Die Einschätzung meines Vaters war falsch.

Zu Beginn kauften Sie vor allem Jugendstil und Wien um 1900. Mit der Zeit verlagerte sich der Schwerpunkt – bis in die Gegenwart und über nationale Grenzen hinweg.

Gut gesagt. Ich glaube ja, dass hinter dem Sammeln ein ewiger Generationenkonflikt steckt. In einer gewissen Konfiguration sammelt man genau das, was die Eltern ablehnen. Das gehört vielleicht zur Ablösung oder zum Selbstständigwerden dazu. Und das führt dazu, dass Dinge erst nach einem halben Jahrhundert zu akzeptierten Antiquitäten werden. Daher boomt im Kunsthandel jetzt das Design der 60er- und 70er-Jahre. Daher sind jetzt auch wieder die Wiener Phantastischen Realisten en vogue.

1992 gründeten Sie mit zwei Kunsthändlern die Wiener Kunst Auktionen. Das Kinsky wurde zum Gegenspieler des damals verschnarchten Dorotheums. Das Modell wurde aber auch kritisiert: Weil die Miteigentümer das Kinsky als Plattform benutzten.

Ja, die Kunsthändler konnten aus dem eigenen Fundus versteigern. Das wurde vielleicht von der Konkurrenz scheel angeschaut. Aber wir haben die Zusammenarbeit mit dem Kunsthandel begrüßt und suchen auch heute noch den Kontakt: „Vielleicht können wir versteigern, was Sie nicht verkaufen konnten?“ Und oft haben wir Erfolg.

Bietet der Kinsky-Miteigentümer Ploil als Sammler auch im Dorotheum mit?

Ich habe zum Geschäftsführer (Martin Böhm, Anm.) ein eher belastetes Verhältnis. Aber wir kooperieren mit vielen seiner Mitarbeiter. Und ich ersteigere immer wieder im Dorotheum.

Sie wollten sich eigentlich zurückziehen. Daher übernahm Christoph la Garde vor drei Jahren von Ihnen und von Michael Kovacek 60 Prozent des Unternehmens. Doch nun, im Mai, gab er die Anteile zurück. Warum?

Christoph la Garde meinte, dass sein Lebensplan doch ein anderer sei. Der Vorschlag, die Geschäftsführung wieder uns zu übertragen, kam von ihm. Und weil das in der Corona-Zeit passierte, blieb uns Alten nichts anderes übrig. Ja, wir wollten uns zurückziehen – und wir machen jetzt das genaue Gegenteil. Wir haben das Unternehmen zu je 50 Prozent wieder und müssen es, wenn man so will, wieder in Schuss bringen.

Dass Sie einen neuen Geschäftsführer suchen?

Nein, die vergangene Erfahrung hat uns gereicht.

Sie sind auch der Anwalt vieler Künstler und Museen. Weil Sie Sammler sind?

Meine Sammlertätigkeit hatte keinen Einfluss. Es hat sich eben meine anwaltliche Tätigkeit in Kunstangelegenheiten von Jahr zu Jahr gesteigert. Daher mache ich jetzt mehr „Kunstrechtliches“ – und weniger Patentstreitigkeiten oder unlauteren Wettbewerb.

Sie waren auch vielfach in Restitutionsfälle involviert.

Ich habe sowohl Restitutionswerber wie auch Restitutionsverweigerer vertreten. Wenn es im Kinsky Streitfälle gab, habe ich durchzusetzen versucht, was mir gerecht erschienen ist. Generell bin ich ein entschiedener Restitutionsbefürworter. Aber längst versuche ich – das bringt vielleicht das Alter mit sich –, gütliche Einigungen im Sinne der „Washingtoner principles“ zu erzielen.

Also Privatrestitutionen. Der Erlös wird nach einem bestimmten Schlüssel geteilt.

Ja. Es nutzt kein Streiten auf dieser Welt. Und à la longue ist auch das Rechthaben nicht befriedigend. Einer der ersten spektakulären Fälle war das Egon-Schiele-Gemälde „Mädchen“, das einst Wolko Gartenberg gehört hatte. Da kam es letztlich zu einer sehr fairen Lösung.

Nach der Einigung wurde es von Rudolf Leopold ersteigert. Haben Sie Ihre eigene Sammlung auf die Provenienzen hin geprüft?

Streng. Ein gestohlenes oder enteignetes Kunstwerk würde mir, wenn ich mich nicht mit den Erben einigen könnte, keine Freude machen. Und wenn ich von vornherein von einer problematischen Provenienz weiß, dann greife ich es nicht an.

Sie zeigen in Krems einen Querschnitt Ihrer Sammlung. Der Titel lautet, als wäre er vom Albertina-Direktor ersonnen worden: „Schiele – Rainer – Kokoschka“. Wird er Ihrer Sammlung gerecht?

Ich finde ihn nicht repräsentativ, er stammt nicht von mir. Von mir ist der Untertitel: „Der Welt (m)eine Ordnung geben.“ Denn der Sammler will die Objekte, die ihn umgeben, ordnen oder eingliedern. Kurzum, es geht um das Strukturieren der Umwelt, um das Beseitigen von Chaos. Denn Chaos macht Angst, und Ordnung beseitigt Angst. Das sind die Urbeweggründe menschlichen Strebens.

Als Kurator fungiert der Kunsthändler Herbert Giese. Es verbindet Sie eine enge Freundschaft.

Ich habe bei ihm meine ersten Bilder gekauft und viel von ihm gelernt. Meine Interessen haben sich dann verlagert, aber befreundet sind wir geblieben.

Haben Sie ihm bei der Auswahl freie Hand gelassen?

Ich habe schon Vorschläge gemacht und Einfluss genommen. Aber zumeist sind es seine Entscheidungen gewesen.

Er ordnet also Ihre Ordnung neu oder anders?

Ich glaube tatsächlich, dass ich mit dem Sammeln der Welt, meiner Welt, eine Ordnung gebe. Und jetzt habe ich jemanden gebeten, nach seinen Kriterien repräsentative Stücke auszuwählen. Sie haben recht: Er gibt dem Fundus seine Ordnung. Aber auch der Betrachter ordnet beim Gang durch die Ausstellung die Kunstwerke neu und gibt ihnen seine Ordnung.

Sie folgen Rudolf Leopold: Auch er begann mit Jugendstil und Wiener Werkstätte – und zum Schluss sammelte er Gegenwartskunst.

Uns gleichzustellen wäre zu viel der Ehre. Ich habe weder seine Fähigkeit, noch seine Emphase. Wir teilen höchstens den Enthusiasmus.

 

 

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