Erarbeitet hatte Pollesch „ja nichts ist okay“ – wie so manch andere Produktion davor – mit Fabian Hinrichs: als Solo für diesen herausragenden Schauspieler. Bereits die erste Szene, ein Todeskampf in und neben einem Pool, hat eine unglaubliche Wucht. Dazu dröhnt aus den Boxen der Song „Zu kalt“ der deutschen Punk-Band Slime.
Doch man will nicht akzeptieren, dass es sich um einen Abgesang, einen düsteren Befund über die defragmentierte Gesellschaft handelt. Denn René Pollesch hat immer auch unterhalten. Und Fabian Hinrichs liefert Witze. Aber es sind bittere Pointen: Im Burgtheater – am 12. Juni gab es zwei Vorstellungen im Rahmen der Wiener Festwochen – wird es mit Fortdauer immer stiller, totenstill geradezu.
Als Erzähler fragt sich Hinrichs pitschnass, wie es begonnen hat. Vor 560 Millionen Jahren sei das Leben auf der Erde gewaltfrei gewesen; aber nun gibt es selbst in der Wohngemeinschaft von Claudia, Stefan, Paul und einer ominösen vierten Person (dem Erzähler?) die schlimmsten Verwerfungen. Ohne Aussicht auf Versöhnung.
Das recycelte Bühnenbild von Anna Viebrock samt Steintürmen, die jederzeit in sich zusammenkrachen könnten, verdeutlicht die deprimierende Grundstimmung: Der Bungalow aus den 70er-Jahren ist bloß eine Fassade. Dahinter lauert das Grauen. Man kriegt sich nicht nur wegen Kleinigkeiten (etwa Sauberkeit) in die Haare, denn mittlerweile herrscht da wie dort Krieg. Und wie darf man sich zu diesen verhalten?
Eine Mauer aus Paketen
Hinrichs stellt mit viel Slapstick – Brille auf, Bademantel an oder Pulli überwerfen – Dialoge nach, er springt umständlich hin und her, er erweist Wien seine Reverenz (indem er genussvoll am Wort „Semmel“ verwendet), gibt den Figuren aber keine scharfen Konturen. Er bleibt der einfühlsame Erzähler. Klar wird ohnedies: Etwas hatte sich verschoben, alle leben in unterschiedlichen Welten, Gemeinschaft gibt es nicht mehr, und die wenigsten scheinen für das 21. Jahrhundert (mit Siri und KI) geeignet. Um sich abzugrenzen, baut Stefan aus zugestellten Paketen eine Mauer auf. Doch er muss feststellen, dass es die eigene Anwesenheit ist, die er nicht erträgt.
Die Fröhlichkeit ist verloren gegangen. Aber auch Flucht (mit Trolley in den Ferienbungalow) hilft nicht weiter. Es sind Sätze größter Verzweiflung, die Hinrichs wie nebenbei spricht. Dann, zu tieftrauriger Klaviermusik von Robert Schumann, wiederholt sich die Eingangsszene. Einer der Witze fasst es zusammen: „Was machst du heute Abend“, fragt die eine Kerze. Und die andere antwortet: „Ich gehe aus.“
Standing Ovations - mit Zeitverzögerung.
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