"Puppen": Es geht wirklich um die Wurst

"Puppen": Es geht wirklich um die Wurst
Das Schauspielhaus Wien eröffnet mit Kevin Rittbergers hülsenhaften "Puppen". Dem Zuschauer kommt dabei vieles russisch vor.

Der russische Ökonom Nikolai Kondratjew erstellte für die Sowjetunion den ersten Fünfjahresplan. Später, von den Segnungen des Kommunismus offenbar nicht mehr so ganz überzeugt, entwarf er die Theorie, dass sich der Kapitalismus - egal, in welch tiefer Talsohle er sich befinden mag - immer wieder regenerieren würde. Daraufhin ließ ihn Stalin liquidieren ...

Das Schauspielhaus Wien eröffnete die Saison mit der Uraufführung von Kevin Rittbergers "Puppen". Am Stück, für das der Autor mit dem Hans-Gratzer-Stipendium ausgezeichnet wurde, kam einem vieles russisch vor.

Auf den ersten Blick die an frühen St. Petersburger Dada erinnernde Absurdität.
Rittberger und Regisseur Robert Borgmann stellen vier vage Figuren auf die Bühne: Ein Fleischhauer ohne Ware im Laden. Eine Frisörin, die keine Haare zum Schneiden hat. Eine vom Schwindel befallene Frau, die's regelmäßig hinhaut. Und der "Klandestino", ein Illegaler, ein Gesetzwidriger.

Im Niemandsland der Bühne geben sie Wortgeklingel über Fassbrause, Gemüsebrühe und Senfkörner von sich. Die Herstellung einer nirgendwo mehr käuflich zu erwerbenden, also utopischen Wurst ist Hauptdiskussionsthema des Abends. 100 Minuten handlungsloses Hirnwichsen, Not überall, aber Rat nirgendwo, und zwischen den brätgefüllten Därmen schwer verdauliche Leerläufe.

Einziger Lichtblick: Die eindringlich gute Darstellerriege Katja Jung, Thiemo Strutzenberger und die Nestroypreis-nominierten Nicola Kirsch und Max Mayer.
Dass Rittberger was zu sagen hätte, erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Und den ins Programmheft. Wir alle sitzen nämlich gerade in Kondratjews Talsohle fest. In der Kapitalismushochburg USA wird deshalb auch schon demonstriert. Von einer Masse der Nicht-mehr-Werktätigen. Von Dienstleistern, die nix zu leisten haben, weil Kundschaft nicht Konjunktur hat. Von Dienstnehmern, die "Puppen" an den Strippen hoch bezahlter Manager sind. Schneiden sie die Fäden durch, zappeln wir noch ein bisschen, bevor wir in uns zusammensinken.

Warum Rittberger das nicht zwingend erzählt, sondern Hülsen hinwirft - keine Ahnung. In der Arbeitswelt ging's nämlich wirklich um die Wurst. Eine Generation in Erwartung der Regeneration ...

KURIER-Wertung: ** von *****

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