Pulitzer-Preis: Der Sieger und sein Verlierer
Neun war er, als er in der Schule das Referat zum üblichen Thema halten sollte: Was ich werden will.
„Künstler.“
Das ließ der dumme Lehrer nicht gelten. „Das ist kein Beruf“, hat er gesagt.
„Ich musste mir was anderes aussuchen“, erinnert sich Andrew Sean
Greer. „Hab’ ich halt gesagt, Architekt will ich werden ... Aber ich bin tatsächlich so eine Art Künstler geworden.“
Vergangene Woche wurde dem 47-jährigen Amerikaner der Pulitzer-Preis zuerkannt (= bei Autoren beliebt wie der Oscar in der Filmindustrie).
Greer bekam ihn für seinen komödiantischen Roman „Less“ – der schon seit März bereits in deutscher Übersetzung als „Mister
Weniger“ vorliegt ... und vielleicht ohne Auszeichnung genauso wenig beachtet worden wäre wie seine ernsten Romane „Die Nacht des Lichts“, „Die erstaunliche Geschichte des Max Tivoli“ und „Geschichte einer Ehe“ (alle im Verlag S. Fischer erschienen).
Greer quält seinen Helden Arthur Weniger, einen nicht sehr erfolgreichen Schriftsteller, der 50 ist und sich fühlt „wie der erste Homosexuelle, der alt wird“.
Wie einer dieser alten Doppelradierer für Bleistift und Tinte, rosa bis zur Mitte, grau bis zum Scheitel: So sieht er sich, wenn er in den Badezimmerspiegel schaut.
Und jetzt hat sich auch noch ein jüngerer Lover von ihm verabschiedet, indem er heiratet. Einen anderen.
Da will Mister Weniger davonlaufen – er nimmt Einladungen zu schwindligen Veranstaltungen des Literaturbetriebs an.
Denn: „Ich will, dass man mich will, mehr als alles auf der Welt.“ Man hört es: Mister Weniger will zu viel.
Er reist. Mexiko, Italien, Berlin, Marokko, Kyoto. Die Fettnäpfchen stehen günstig. Eine Demütigung jagt die nächste. Er wird gern in die USA zurückkehren; und Andrew Sean Greer wird man ab sofort nicht mehr ignorieren.
Stolz seinKurz bevor die Pulitzer-Auszeichnung bekannt wurde, wurde Greer gefragt, ob er den Preis gern hätte.
„Ja. Ja. Ja. Aber es ist so, als würde jemand eine Hochzeit wollen. Eine Hochzeit? Und dann? Nein, eine gute Beziehung wünscht man sich, keine Hochzeit. Einen Preis? Und dann? Nein, schreiben will man etwas, auf das man stolz sein kann.“
Andrew
Sean Greer:
„Mister Weniger“
Übersetzt von
Tobias
Schnettler.
Verlag S. Fischer.
336 Seiten.
22,70 Euro.
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern
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