Prohaska: „Man darf nicht zu zart besaitet sein“

Prohaska: „Man darf nicht zu zart besaitet sein“
Ein Gespräch mit der Sopranistin über Krieg, #MeToo und die Härten eines Sängerinnenlebens

Die österreichische Sopranistin ist einer der spannendsten Vertreterinnen ihres Fachs. Am 13. September gastiert sie auf Schloss Esterházy in Eisenstadt beim Festival „Herbstgold“ mit ihrem Programm „An der Front“.

KURIER: Ihr Liederabend ist dem Thema Krieg gewidmet. Zum Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs gaben Sie ein Album mit Soldatenliedern heraus. Woher stammt Ihre Faszination dafür?

Anna Prohaska: Seit meiner Jugend habe ich mich mit Kriegspoesie auseinandergesetzt. Die großen Feldherren saßen einige Meilen von der Front entfernt in Schlössern, während junge Männer in den Schützengräben elendig verreckt sind. Als ich in Verdun bei der Gedenkstätte war und sah, dass die meisten Gefallenen zwischen 17 und 25 Jahre alt waren, dachte ich, wäre ich einer von ihnen gewesen, wäre ich in meinem Alter nicht mehr am Leben. Auch der Bezug zur Gegenwart, dass die Menschheit nicht aus Fehlern lernt und immer neue Kriege und Konflikte aus nichtigen Gründen anzettelt, beschäftigt mich.

Ein friedliches Miteinander wird offensichtlich schwieriger. Wie sehen Sie die Aufmärsche der Rechten in Chemnitz?

Durch die Abschottung musste man sich dort (in der ehemaligen DDR, Anm.) viel weniger mit dem Phänomen der sogenannten Gastarbeiter beschäftigen. Heute hält man gerade dort dieses „Biodeutschtum“ immer mehr hoch, obwohl niemand so genau sagen und erst recht nicht beweisen kann, was es heißt, ein „echter“ Deutscher zu sein. Allein schon diese Redensart erinnert einen an dunkelste Zeiten unserer Geschichte. Die Gesellschaft wandelt sich, immer mehr Menschen haben einen Migrationshintergrund. Als Migrant aber muss man dreimal so brav sein wie ein Deutscher. Wenn ein sogenannter Biodeutscher sich sexueller Gewalt an einer deutschen Frau schuldig macht, wird niemals so laut aufgeschrien wie bei einem Täter mit Migrationshintergrund.

Gegen Unholde aus dem eigenen Umfeld gibt es jetzt die MeToo-Bewegung. Wie erleben Sie diese im Opernbetrieb?

Man ist als Solist in einer ziemlich vulnerablen Position. Anders als Chor- oder Orchestermitglieder können wir leichter ausgetauscht werden. Manche behaupten auch, dass sie wegen Ablehnung von Avancen gewisse Chancen nicht bekommen haben. Aber das lässt sich nicht beweisen. In der Musik haben wir noch Glück, da unsere Qualität zumindest durch die musikalische Ebene etwas leichter messbar ist als zum Beispiel im Schauspielberuf. Aber das Schwierige ist der Umgang mit gewissen Grauzonen, weil unsere Kunst im Körper stattfindet. Da gibt es durch Grapscher eingeschüchterte Studentinnen wie auch den Professor, der fünfmal fragt, ob er die Rippen einer Schülerin oder eines Schülers berühren darf, um etwas bei der Atemtechnik zu zeigen. Wenn danach erzählt wird, dass das unangenehm war, hat der Professor trotzdem eventuell einen Prozess am Hals.

Sie kommen aus einer renommierten Musikerfamilie. Hat Sie Ihr Name beschützt?

Ich habe mich oft gefragt, wie ich es geschafft habe, ohne größere Vorkommnisse durchzukommen. Die Welt der Musik ist ein Haifischbecken, nicht nur in Bezug auf Belästigungen, sondern auch, wenn es darum geht, sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen. Man darf nicht zu zart besaitet sein, man muss auch Ellbogen zeigen können. Mir kommt es jedenfalls auf ein harmonisches, produktives Arbeitsklima an, aber ohne die eigene Persönlichkeit, die eigenen Bedürfnisse zu leugnen. Das ist ein Drahtseilakt, bei jedem Projekt aufs Neue.

Wie wappnen Sie sich gegen Neid und Intrigen?

Wenn man zwischen Mitte dreißig und fünfzig ist, was stimmlich gesehen die goldenen Jahre eines Sängers sind, fangen die Schwierigkeiten an. Denn es gibt gewisse Rollen, die kann man erst ab einer gewissen stimmlichen Reife singen. Die neue Opernszene mit den HD-Übertragungen möchte aber schon Supermodels vor der Kamera haben. Und man steht zwischen zwei Polen. Auf der einen Seite gibt es den Neuling. Der ist ein Phänomen, auf der anderen Seite sind die älteren Etablierten, die nichts mehr falsch machen können, obwohl man sich denkt, dass die schon längst aufhören sollten.

Schmerzt schlechte Kritik?

Natürlich trifft einen das. Das trifft auch die größten Künstler. Ich bin jemand, der nicht das glattgebügelte Klassikradio macht und nicht immer die größten Hits auswählt. Man kann auch manchmal anecken, aber man muss an sich glauben.

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