Problematische Straßennamen in Graz: Zusatztafeln auch für Denkmäler

Anlässlich des 75. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs hat die Kommunistische Jugend Graz in der Nacht auf den 8. Mai 2020 vor dem Uhrturm am Grazer Schloßberg ein 35 Meter langes Spruchband mit der Aufschrift "Nie wieder Faschismus! Erinnern heißt kämpfen!" entrollt und es mit bengalischen Feuern erleuchtet.
Mehr als 700 Schilder sollen Straßennamen in einen historischen Kontext stellen. Im Fall der Kernstockgasse ist das der KPÖ zu wenig.

Jahrzehntelang stellte sich die Grazer Stadtregierung taub, wenn es um problematische Straßennamen - darunter die Kernstockgasse - ging. Doch Ende 2019 wurde vom Gemeinderat beschlossen, Zusatztafeln für alle nach einer Person benannten Straßennamen anzubringen. Laut Kulturstadtrat Günter Riegler (ÖVP) sollen als erster Schritt in diesem Herbst die ersten 30 "besonders belasteten" Straßennamen mit historischen Erklärungstafeln versehen werden. Insgesamt sind es laut dem Leiter der zuständigen Historikerkommission, Stefan Karner, mehr als 700 Tafeln.

Die KPÖ macht in dieser Angelegenheit weiter Druck. Anlässlich des 75. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs hat die Kommunistische Jugend Graz in der Nacht auf den 8. Mai 2020 vor dem Uhrturm am Grazer Schloßberg ein 35 Meter langes Spruchband mit der Aufschrift "Nie wieder Faschismus! Erinnern heißt kämpfen!" entrollt und es mit bengalischen Feuern erleuchtet. Zudem wünscht sich die KPÖ die Umbenennung der Kernstockgasse (nach dem deutsch-nationalen Priester und Dichter Ottokar Kernstock) in die Kolleritschgasse - zu Ehren des Ende Mai verstorbenen Schriftstellers  Alfred Kolleritsch. Stadtrat Riegler verweist aber auf den geltenden Gemeinderatsbeschluss, wonach es keinerlei Umbenennungen geben soll.

„Ich hoffe aber, dass es bald einmal eine Kolleritsch-Gasse gibt“, sagte er im APA-Gespräch und verweist auf die Möglichkeit, eine Straße in einem der neu entstehenden Stadtteile Reininghaus oder Smart-City zu benennen.

Vergangene Woche wurde die vor ein paar Wochen beschmierte Büste des deutsch-nationalen Dichters Hans Kloepfer (1867-1944) auf dem Grazer Schloßberg zur Reinigung entfernt. KPÖ-Gemeinderätin Christine Braunersreuther fordert in einem Antrag an den Gemeinderat eine kritische Kontextualisierung oder die permanente Entfernung des Denkmals. Ersteres scheint hinter den Kulissen bereits beschlossene Sache zu sein. Zweiteres dürfte wohl nicht infrage kommen.

Zusatztafeln nun auch für Denkmäler

Otto Hochreiter, Direktor des Grazmuseums, bestätigte gegenüber der APA, dass sowohl die Kloepfer-Büste als auch die beiden anderen von der KPÖ beanstandeten Denkmäler - jenes für die Vertriebenen aus dem heute slowenischen Teil des ehemaligen Herzogtums Steiermark und die hinter einer Schrifttafel eingemauerte Urne des im Dritten Reich populären Dichters Rudolf Hans Bartsch (1873-1952) - erklärende Zusatztafeln bekommen sollen. Mit dieser Kontextualisierung will man auch der Zerstörung von Denkmälern aus politischen Gründen wie in den USA und anderswo vorbeugen.

Urnenverlegung

Die KPÖ fordert zudem die Entfernung der Urne Bartschs und eine Umbettung auf den Zentralfriedhof. Diese Forderung empörte vergangene Woche die FPÖ. Aber auch Museumsdirektor Hochreiter kann einer Verlegung der Urne nichts abgewinnen. „Ich bin kein Geschichtsvernichter“, so Hochreiter. Ihm sei es wichtig, Geschichte, insbesondere solche mit „Doppelcharakter“, in eine „strenge europäische Perspektive“ zu bringen.

 

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