Pop-Duo Leyya: „Unsere Szene wurde stiefmütterlich behandelt“
„Bei einem Live-Stream-Konzert muss ich mich immer wieder daran erinnern, dass ich nicht im Probelokal bin, dass da draußen irgendwo ein Publikum ist, das gerade zuhört, auch wenn außer der Band keiner da ist.“
Sophie Lindinger, Frontfrau der heimischen Elektropop-Band Leyya, vermisste den direkten Kontakt mit ihren Hörern, als sie vergangenen Samstag im Radiokulturhaus mit ihrem Duo-Partner Marco Kleebauer den Leyya-Auftritt für das heurige FM4-Geburtstagsfest aufgezeichnet hat. Wegen der Corona-Maßnahmen findet es heuer am Freitag, den 22. Jänner, ohne Publikum nur auf der Website und im Radio statt. Künstler wie Chilly Gonzales, Cari Cari, Granada, Mira Lu Kovacs, Yugo, Camo & Krooked, und Ja, Panik haben eigens dafür Auftritte aufgezeichnet.
Weil ohne Publikum live zu spielen immer noch besser ist, als gar nicht aufzutreten, und weil „wir ohne FM4 nicht dort wären, wo wir jetzt sind“, haben Leyya ihre Teilnahme beim gestreamten FM4-Geburtstagsfest sofort zugesagt – obwohl sie 2020 auch am Höhepunkt der Streaming-Welle im April kein derartiges Konzert gespielt haben.
Das lag daran, dass Leyya von zu Hause aus nicht die gewünschten Qualitätsstandards für Sound und Bild liefern konnten und sich 2020 ohnehin auf das nächste Album konzentrieren wollten. Doch die Pandemie stoppte diese Pläne: „Die Situation hat uns beide belastet. Das Gefühl, jetzt hat man Zeit, jetzt muss viel weitergehen, hat die Kreativität gehemmt. Deshalb haben wir uns über den Sommer eine Auszeit genommen.“
Erst seit dem Herbst arbeiten die beiden wieder an ihrem dritten Longplayer, der noch heuer erscheinen soll. Natürlich mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen: „Wie gehen immer wieder testen und vertrauen einander aber auch, dass wir außerhalb des Studios nicht viele Leute treffen.“
Der Song „The Paper“, der schon Ende Oktober erschien, war der erste Vorbote dieses Albums. Mit dem FM4-Auftritt am Freitag erscheint mit „I’m Not Sure“ der zweite. Im Sound sind die beiden drastische Gegenpole. Während „The Paper“ eine für Leyya überraschende akustische Gitarrenballade ist, knüpft „I’m Not Sure“ mit kantigem Indie-Pop an den Sound an, den man von dem Duo gewöhnt ist.
„Wir lieben sowohl das Sanfte, Akustische, als auch das Elektronische, Energetischere“, sagt Lindinger. „Nach dem zweiten Album dachten wir: ,Warum sollen wir uns immer nur auf das Eine beschränken? Wir machen einfach alles, was aus uns rauskommt!’ Diese beiden Song sind aber die extremsten Beispiele für diese beiden Pole. Der Rest vom Album wird im Sound dazwischen liegen.“
Beide der neuen Songs sind vor Corona entstanden und gehen inhaltlich nicht auf die Krise ein – auch wenn alle zwei thematisch perfekt hineinpassen. In „I’m Not Sure“ beschreibt Lindinger die Ohnmacht des Einzelnen in Bezug auf die Probleme der Gesellschaft, weil man „pathetisch gesagt, nur Leid und Zerstörung“ sieht.
Mit „The Paper“ geht sie auf den Konflikt zwischen dem finanziell mühsamen Musikerleben und der Leidenschaft für das Musizieren ein, die doch immer wieder siegt. Von der Politik hätte sie sich in der Krise deshalb mehr Unterstützung erwartet.
„Die Kultur und speziell der Pop wurden stiefmütterlich behandelt. Ich verstehe, dass so eine Situation schwierig ist. Aber wir hatten das Gefühl, das alles andere zuerst geregelt wird. Auch die klassische Musik war wichtiger als die Pop-Szene. So viele Veranstalter haben sich so viele Gedanken gemacht und viel Geld investiert, um funktionierende Konzepte zu entwickeln, wie man gefahrlos Konzerte spielen kann. Aber das wurde überhaupt nicht wertgeschätzt. Die Kultur wurde sofort wieder zugesperrt, aber die Skilifte dürfen offen haben. Da fühlt man sich schon ein bisschen verarscht.“
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