Placebo's MTV-Unplugged: Nackt im Supermarkt ist super

Placebo-Sänger Brian Molko kommt hinter seiner Sound-Wand hervor.
Placebo spielten im August in London ein tolles Akustik-Konzert. Jetzt sind CD und DVD erschienen.

Als "das nervenaufreibendste Konzert seiner Karriere" bezeichnet Placebo-Sänger Brian Molko den "MTV -Unplugged"-Auftritt seiner Band.

"Wir wussten, dass das viel zarter, delikater und feinfühliger wird", erzählte er jetzt.de, dem Online-Magazin der Süddeutschen Zeitung. "Unsere Sensibilität war gefragt. Sonst haben wir ja eine wuchtige Wand aus Sounds im Hintergrund, die eine Art Sicherheitsnetz ist. Also waren wir darauf vorbereitet, wie Furcht einflößend diese Show für uns werden würde – ganz ohne Netz mit wahnsinnig viel Raum zwischen den Noten. Es war ein Gefühl, wie nackt im Supermarkt einzukaufen."

Aber den Raum zwischen den Noten nützen Molko und Bassist Stefan Olsdal (Drummer Steve Forrest stieg im Februar aus, um solo weiterzumachen) geschickt aus, füllen ihn – unterstützt von Streichern, Flöte, Klarinette und Klavier – mühelos mit dichter Atmosphäre.

Schon die ersten drei simplen Gitarren-Akkorde vom Sinead-O’Connor-Song "Jackie" sorgen für Gänsehaut. Molkos Stimme klingt eindringlicher und klarer denn je – so als könne sie ohne "die wuchtige Wand im Hintergrund" erst jetzt richtig zu strahlen beginnen.

Spielfreude

Klar, zwischendurch gibt es mit dem Uralt-Song "36 Degrees" und "For What It’s Worth" das typische rasante Gitarren-Geschramme – diesmal halt gespielt auf den Akustikgitarren. Das fügt den gewohnten Plugged-Versionen nichts hinzu. Außer vielleicht eine neu entfachte Spielfreude. Hatte man bei den letzten Österreich-Konzerten der Band den Eindruck, Placebo würde ihr Set routiniert und mechanisch runterspielen, zeigen die Briten hier doch wieder Ausdruck und Feeling.

Aber Favoriten wie "Every You Every Me" (mit Gastsängerin Majke Voss Romme) und "Meds" bekommen eine ganz andere, spannende Atmosphäre. Wo man vorher nur stampfende Wut hörte, sind sie im Unplugged-Gewand auf einmal berührend, verzweifelt, traurig, sehnsüchtig, melancholisch, ungeduldig und jähzornig.

Und "Bosco", der laut Molko ehrlichste Song seiner Karriere, "Without You I’m Nothing" und "Slave To The Wage" sind in diesen Versionen nichts weniger als atemberaubend.

Sensibel

Weitere Konzerte wollen Placebo mit dem Akustik-Programm nicht geben. 2016 steht eine "Greatest-Hits"-Tour am Plan.

Schade. Denn sensibel zu musizieren, steht dem sensiblen Frontmann prächtig. Fast scheint es, als war die wuchtige Wand aus Sounds kein Sicherheitsnetz, sondern eine Ketten-Rüstung, aus der er sich hiermit befreien konnte.

KURIER-Wertung:

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