Pink-Konzerte sind unter den besten, die man sich derzeit im ganz großen Rahmen anschauen kann. Die Amerikanerin ist eine Entertainerin im besten Sinne: Sie liefert ab (auch wenn man ihrer Familie in Wien die Fahrräder geklaut hat). Pink hat mittlerweile ordentlich viele Hits, die im Kopf bleiben und jene Themen behandeln, mit denen man sich ganz alleine fühlt, obwohl sie eh alle teilen, von den allseits unbeliebten Kindheitstraumata und Beziehungsfragen bis hin zur Erkundung der vielfältigen Gründe, anzustoßen und gemeinsam Party zu machen.
Das lockt ein sehr freundliches und lockeres Publikum an, das sich gemeinsam über die Drinkflation (fragen Sie nicht, was hier eine Kräuterlimo kostet! Okay, 6,20 Euro für einen halben Liter) amüsieren, der praktischen Kurzhaarfrisur nicht abgeneigt sind und sich freuen, wenn die Nachwuchspopfans mit Pink ihre erste Konzerterfahrung teilen.
Manch andere waren schon bei so vielen Konzerten, dass sie beim Aufwärmen durch einen sehr gut gelaunten DJ bei "We Will Rock You" mitklatschen können und sogar Peter Schillings "Major Tom" erkennen (um Himmels Willen, wie lang hat man das schon nicht mehr gehört!). Für jene, die sich bezüglich der 1980er nicht nur an Wickie, Slime und Paiper erinnern, hatte Pink dann den passenden Konzertauftakt parat: Sie ließ sich als weibliche Max-Headroom-Version einblenden, und wer damit etwas anfangen kann, hat schon wirklich viel erlebt (für die anderen: das war vor 40 Jahren der erste digitale TV-Moderator, und etwas weird).
Aber viel Zeit war eh nicht, darüber nachzudenken: Die Party war gestartet, Pink turnte und in die Klänge des ersten Songs mischten sich, wir kommen nicht los von den 80ern, die Sounds von "Sweet Dreams". Spätestens beim folgenden "Raise your Glass" mit gelben Totenköpfen auf der Videoleinwand und ebendort herumwirbelnden bunten Pillen war man angekommen: So, genau so sind Pink-Konzerte. Wundervoll. Es folgten Knaller wie "Turbulence" und "What About Us" (im etwas verhatschten Discosound), und eigentlich hätte es ruhig so weitergehen können.
Doch nach den ersten popknallbunten Karneval-Wagen stieg Pink auf die Bremse, und das so charmant wie konsequent: Es folgte ein Balladen- und Plauderteil, der die Show zur bei weitem ernsthafteren Angelegenheit als das letzte Pink-Stadionkonzert werden ließ. Zum Start gab es, nie falsch, Süßes: Weil sie einen Song erriet, den ihr der Pianist vorspielte, bekam sie von diesem Schokolade ("Dunkle Vollmilch", las sie vor). Und die verspeiste sie gleich, damit sie ihr nicht später die Kinder klauen ("Ich bin so eine Mutter", sagte sie später).
Und sie geriet ins Plaudern und Balladenspielen, redete über Corona und ihren Vater, über Weltuntergang und die Beziehung zu ihrem Mann, und ein Nebensatz brachte den einzigen Moment mit sich, in dem es sanfte Buhs aus dem Publikum gab: Denn Pink sinnierte über Songs, die sie gern geschrieben hätte, und dazu gehören für sie "Imagine" (wie fad) und, festhalten, "Du hast" von, festhalten!, Rammstein. Das ist derzeit hierzulande und im Speziellen im Stadion, wo die heiß debattierte Band demnächst ebenfalls zwei Konzerte spielen wird, jetzt nicht gerade das beste Thema. Pink sah ein bisschen verwundert drein über die Reaktion.
Bevor der Karneval wieder Schwung holen sollte, gab es das berührende "Cover Me In Sunshine" mit Gastauftritt Willow (vom Band), ein wenig Introspektion und vergleichsweise zivilisierte Geschenke der Fans: Vor einigen Tagen noch bekam Pink von einem Fan die Asche seiner Mutter auf die Bühne geworfen (kein Witz!), in Wien war das Eigenartigste (und Tollste zugleich) ein Blumenstrauß mit Froschfiguren. Bei all dem wirkte die Sängerin wie ein Wiener Kaffeehauskellner am ersten Tag der Einschulung: Eh sehr freundlich, aber ein Extraglas Wasser zum Kaffee hätte man sich nicht bestellen trauen.
Tanz drüber! Zum Start von "I Am Here" warf Pink wieder das bunte Gewand über, der Titelsong des aktuellen Albums "Trustfall" funktionierte sehr gut, und spätestens bei "Never Gonna Not Dance Again" waren die Fans wieder dort, wo sie gerne sein wollten: Bei einem Gutelaune-Konzert mit Tiefgang und Feuerwerk und einer Sängerin, die auch in den unmöglichsten Lagen (wir reden von kopfüber herabhängend, durchs Stadion fliegend) brilliant singt, die jene Show bietet, die Helene Fischer im Kopf hat, bevor sie das erste Mal mit ihrem Tourmanager redet und der sagt, sei doch mal realistisch, Helene.
Bedecke uns mit Sonnenschein!
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