Die Inszenierung ist stark auf den Text konzentriert. Doch bis es soweit ist, dehnt sich der Anlauf. Archaische Kriegstrommeln geben einen fast hypnotisierenden Auftakt. Die kleine, dunkle Bühne (Michael Sieberock-Serafimowitsch) symbolisiert einen Höhlenbau. Wenige Lampen erleuchten mit ihren Lichtkegeln nur Ausschnitte. Man sieht Leiber, die sich über den Boden wälzen, bedeutungsvoll um sich blicken, rasch vorbei huschen, in Deckung gehen, so als würden sie sich vor einer Bedrohung in Acht nehmen.
Dann endlich durchbricht eine Darstellerin das seltsame Treiben. „Ein Königspalast“, spricht sie die ersten Worte in ein Mikrofon und öffnet damit die Schleusen für eine furiose Mythos-Bearbeitung.
Sarah Kane, eine Art britische Version von Werner Schwab, verlegt die Geschichte von Phädra, der Gattin des Athener Königs Theseus, die von ihrer Lust auf dessen Stiefsohn Hippolytos besessen ist, in die Gegenwart. Bei Kane ist Hippolytos vom Leben gelangweilt. Apathisch schaut er fern. Als Phädra, ihm gegen seinen Willen Lust verschafft, stellt er klar, dass er für ein zweites Mal nicht zur Verfügung steht. Sie klagt ihn wegen Vergewaltigung an und erhängt sich dann.
Das könnte man heute als möglichen Kommentar zu Metoo verstehen. Doch Kane verwies damit auf menschliche Abgründe. Was man dieser Aufführung zugute halten muss, ist, dass sie die Grausamkeiten nicht darstellt, sondern den Text wirken lässt. Es reicht, wenn man hört, wie Hippolytos gelyncht wird oder wie Theseus Phädras Tochter Strophe vergewaltigt und tötet. Friederike Tiefenbacher gibt sich als Phädra der Selbsterniedrigung hin, Nick Romeo Reimann vermittelt Hippolytos’ Ekel vor der Welt. Hasti Molavian und Stefan Suske lassen ihre eher ergänzenden Rollen nach mehr aussehen als diese sind. Betroffene Zustimmung.
KURIER-Wertung: 3 1/2 Sterne
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